Dezentrale
Zwischenlager:
der unbefristete Weiterbetrieb der AKWs wird abgesichert
Die neue
Bundesregierung hält das "bisherige Entsorgungskonzept
für gescheitert", steht im Koalitionsvertrag. Und Rot/grün
verspricht, den Ausstieg aus der Atomenergienutzung "innerhalb
dieser Legislaturperiode umfassend und unumkehrbar gesetzlich regeln"
zu wollen. Was läge da näher, als die Entsorgungsmisere
als Hebel für den Ausstieg zu nutzen.
1.
Die Entsorgung steht derzeit rechtlich auf tönernen Füßen
Die nach
§ 9a des Atomgesetzes geforderte schadlose Verwertung gibt
es nicht, und die Atomabfälle können bis heute nicht geordnet
beseitigt werden.
Deshalb vereinbarten die Regierungschefs von Bund und Ländern
im Jahr 1997, daß sie als Entsorgungsnachweis akzeptieren
würden, wenn die Betreiber für sechs Jahre nachweisen
könnten, wo die abgebrannten Brennelemente abbleiben und daß
es Fortschritte bei der Erkundung eines Endlagers gäbe (deshalb
das verzweifelte Festhalten an Gorleben).
Es existieren
juristische Gutachten, die bezweifeln, daß die Atomaufsichtsbehörden
an die Vereinbarung der Regierungschefs gebunden sind. Darüber
hinaus gibt einen Haufen Gutachten, in denen dargelegt wird, daß
die Wiederaufarbeitung im Ausland keineswegs schadlos erfolgt.
2. Die Entsorgung ist auch faktisch unmöglich geworden
-
|
Die
Transportbehälter wurden seit Jahren nicht mehr auf ihre
Absturzfestigkeit geprüft |
-
|
Die
Kontaminationen lassen einen Transport nach der Gefahrgutverordnung
Straße (und Schiene) nicht mehr zu. |
-
|
Die
Polizei ist wenig motiviert, weitere Transporte zu schützen. |
-
|
Die
"Begleitung" der Transporte stellen ein Problem
für die Atomlobby und die Regierung dar, so sehr, daß
die Betreiber erstmal auf weitere Transporte verzichten, obwohl
diese weder von Frau Merkel noch von Herrn Trittin verboten
wurden. |
3. Der Entsorgungsvorsorgenachweis sollte bereits 1998 aberkannt
werden
Die Atomaufsicht
in Hessen wollte vom Betreiber des AKW Biblis den Nachweis, wie
denn die Entsorgung gesichert sei. Merkel untersagte das. Das Land
Schleswig-Holstein wollte dem AKW Brokdorf die Zustimmung zum Wiederanfahren
nach der Revision 1998 wegen des Transportstops verweigern. Merkel
untersagte das. Wir dürfen gespannt sein, wann der neue Bundesumweltminister
zum erstenmal den Weisungshammer schwingt - und ob sich die Landesregierungen
trauen, an ihrer Position festzuhalten, jetzt, wo sie die Schuld
für ihr Nichtstun nicht mehr Frau Merkel in die Schuhe schieben
können.
4. Die dezentralen Zwischenlager erschweren den Atomausstieg
Der Skandal
ist, daß ca. 15 neue Atomanlagen (und Zwischenlager sind Atomanlagen)
errichtet werden sollen, und das, bevor auch nur ein einziges AKW
stillgelegt ist. Sie werden den AKW-Betreibern als perfekter Entsorgungsnachweis
geschenkt. Sie werden nicht als Verhandlungsangebot für die
Konsensgespräche aufgespart, es wird nicht mit der Aberkennung
des Entsorgungsnachweises gedroht - nein - rot/grün beseitigt
den unübersehbaren Entsorgungsnotstand.
5.
Mit den dezentralen Zwischenlagern ist der Spaltkeil gut angesetzt
Die als ausstiegswillig geltende, neue Bundesregierung wird eine
Schwächung des AKW-Widerstands zur Folge haben. U. a. werden
die in den Standortinitiativen aktiven Mitglieder der Grünen
in einen Loyalitätskonflikt geraten, wenn sie sich von der
Politik ihres Parteifreunds Trittin distanzieren müssen. Die
großen Umweltverbände neigen dazu, mit zweierlei Maß
zu messen, als wären Fehlentscheidungen von Trittin weniger
schwerwiegend als die von Merkel.
Beispiel: Welchen Aufstand hätte Frau Merkel provoziert, wenn
sie im Sommer verkündet hätte, es sollten ca. 15 Zwischenlager
gebaut werden, um die Anzahl der Transporte zu verringern! Rot/grün
konnte sich das leisten, weil viele unterstellen, das würde
schon irgendwie gut für den Ausstieg sein.
Dabei haben die dezentralen Zwischenlager nur ein Ziel:
Sie sind ein politischer Schachzug, um die neue Bundesregierung
aus einer Zwickmühle zu befreien: der Weiterbetrieb kann gesichert
werden, ohne die lästigen Transporte durchknüppeln zu
müssen.
6. Vermeintliche Argumente für dezentrale Zwischenlager
a)
|
Transporte
sind gefährlich.
Ja, warum werden sie dann nicht verboten? Daß es weitere
- wenn auch weniger - Transporte geben wird, steht im Koalitionsvertrag. |
b)
|
Gorleben
und Ahaus sollen entlastet werden.
Die Entlastung ist am größten, wenn kein weiterer
Atommüll produziert wird. Und nebenbei: sind Zwischenlager
an den AKW-Standorten weniger gefährlich? |
c)
|
Das
Handling der abgebrannten Brennstäbe ist weniger gefährlich.
Beim Sofortausstieg ist der gefährliche Umgang mit Brennelementen
am geringsten. Das von den Grünen in Auftrag gegebene
Entsorgungskonzept der Gruppe Ökologie in Hannover hatte
zur unabdingbaren Voraussetzung, daß die Ausstiegsfristen
vorher bekannt sind. Die gibt es bekanntlich (noch) nicht. |
d)
|
Die
für die Zwischenlager vorgesehene Trockenlagerung ist
weniger gefährlich als die Naßlagerung in den Abklingbecken
der AKWs.
Das würde stimmen, wenn die Naßlager abgeschafft
würden. Dazu bedarf es der Stillegung. Die steht in den
Sternen. Die dezentralen Zwischenlager sollen aber zusätzlich
zu den Naßlagern betrieben werden, erhöhen also
das Gefährdungspotential. |
e) |
Wir
müssen unseren Atommüll aus den Wiederaufarbeitungsanlagen
La Hague und Sellafield zurücknehmen.
Wohl wahr, doch sind dafür ca. 15 Zwischenlager notwendig?
Und die an den AKW-Standorten? |
Die einzige,
logisch widerspruchsfreie und moralisch überzeugende, Antwort
auf die Argumente a bis e heißt: Der Sofortausstieg ist am
sichersten.
7.
Aktivitäten
a)
|
Die
Standortinitiativen wollen mit einer Stimme sprechen, damit
nicht die zentralen Zwischenlagerstandorte Gorleben und Ahaus
gegen die AKW-Standorte ausgespielt werden. Dazu gab es bereits
ein sehr gut besuchtes Treffen. Am 9.1.99 findet das nächste
statt. |
b)
|
Der
Weiterbetrieb der AKWs ist auch gefährdet, wenn keine
neuen Brennelemente mehr angeliefert werden können. Die
Lagermöglichkeit für neue Brennelemente ist zudem
wesentlich geringer als für abgebrannte. Dazu ist es
allerdings erforderlich, die Transporttermine in Erfahrung
zu bringen. |
c)
|
Sollen
dezentrale Zwischenlager genehmigt werden, ist die Frage der
Entsorgung erstmals auch für AnwohnerInnen von AKWs gerichtlich
überprüfbar. |
d)
|
Die
Genehmigungsverfahren sind dazu zu nutzen, um den Irrweg der
nuklearen Stromerzeugung zu thematisieren. |
e)
|
Der
Standort, den es zuerst trifft, sollte bundesweit (wie?) unterstützt
werden |
8.
Nachtrag
Die Atomlobby
hat ihre Chance bereits erkannt: Für das AKW Lingen wurde ein
Antrag für die Lagerung von ca. 2000 abgebrannten Brennelementen
gestellt. Damit wäre der von der neuen Bundesregierung forderte
Entsorgungsvorsorgenachweis für ca. 40 Jahre gesichert. Die
Atomaufsichtsbehörde in Hannover hält eine Errichtung
in 2 bis 3 Jahren für möglich. Hochstehende Grüne
Politikerinnen (Röstel, Hustedt, Höhn) haben das Vorhaben
(aus meiner Sicht unverständlicherweise) begrüßt.
* * * * * |