Zwischenlager
   


Arbeitskreis "Stillegen Sofort"
Initiative "Wir schützen die Kinder von Sellafield"
Brokdorfer Mahnwache der Basisgemeinde Wulfshagener Hütten

10.11.2000

An
die Mitglieder des Gemeinderats und des Bauausschusses der Gemeinde Brokdorf

Der sog. Atomkonsens zwischen Bundesregierung und Energieversorgern sieht vor, daß an jedem AKW-Standort ein atomares Zwischenlager errichtet wird. Die süddeutschen Landesregierungen lehnen dies strikt ab, Energieminister Möller will in Schleswig-Holstein maximal zwei Zwischenlager akzeptieren.

Der Antrag auf atomrechtliche Genehmigung für das atomare Zwischenlager Brokdorf wurde im Dezember 1999 beim Bundesamt für Strahlenschutz gestellt. Der Bauantrag wurde im Oktober 2000 beim Kreisbauamt Itzehoe gestellt. Die Gemeinde Brokdorf wird um ihr Einvernehmen ersucht.

Sehr geehrte Frau Göttsche, sehr geehrte Herren,

am 16.11. beraten Sie im Bauausschuß und am 5.12. entscheiden Sie auf der Gemeinderatssitzung über den Bauantrag der e.on, zwischen dem AKW und dem Klärwerk ein atomares Zwischenlager zu errichten. Es ist keineswegs so, daß Sie sofort entscheiden müßten denn mit dem Bau kann erst begonnen werden, wenn die atomrechtliche Genehmigung des Bundesamts für Strahlenschutz vorliegt. Damit ist aber nicht vor Mitte nächsten Jahres zu rechnen. Die Gemeinde kann ihr Einvernehmen unter Angabe von Gründen auch verweigern. Wir nennen einige Gründe:

1.

Die Gemeinde kann eine Veränderungssperre beschließen, um Zeit zu schaffen, über einen neuen Bebauungsplan/Flächennutzungsplan/Bauleitplan nach § 14 Baugesetzbuch für das AKW-Gelände nach dem Abriß des AKW zu beschließen (So hat sich die Gemeinde Gemmrichheim beim AKW Neckarwestheim entschieden, s. Anlage. Der Antrag für ein Zwischenlager wurde daraufhin vom Betreiber zurückgezogen.) Im standorteigenen Zwischenlager müssen die hochradioaktiven, Hitze entwickelnden Brennelemente noch ca. 40 Jahre nach Beendigung des AKW-Betriebs gelagert werden, bevor sie in ein Endlager abtransportiert werden können. Da das AKW Brokdorf noch mindestens 20 Jahre am Netz bleiben soll, wird das atomare Zwischenlager gut 60 Jahre existieren. Die Ansiedlung von Betrieben im ökologisch ausgerichteten neuen Gewerbegebiet dürfte durch die Nachbarschaft eines atomaren Zwischenlagers nicht leichter werden.

2.

Die Gemeinde kann das Kreisbauamt gemäß § 15 Baugesetzbuch um eine Zurückstellung des Bauantrags bzw. eine vorläufige Untersagung ersuchen.

3.

Ihre Ablehnung können Sie auch damit begründen, daß es bisher kein Endlager gibt und berechtigte Zweifel bestehen, ob in 60 Jahren tatsächlich ein Endlagerstandort gefunden ist. Wenn nicht, würde das Zwischenlager Brokdorf faktisch zu einem atomaren Endlager. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung hat in seinem Jahresgutachten 2000 darauf hingewiesen, daß das sich im Atommüll bildende Gas früher oder später jede Barriere sprengen werde. So würden die radioaktiven Substanzen letztlich doch in die Umwelt gelangen.

4.

Sie können sich auch gegen die beantragte Größe des Zwischenlagers aussprechen, weil es entsprechend dem sog. Atomkonsens keinen Bedarf für ein so großes atomares Zwischenlager am Standort Brokdorf gibt. Der Betreiber hat eine gut 90 m lange, ca. 30 m breite und ca. 25 m hohe Halle beantragt, in der 100 Castor-Behälter (das entspricht 1900 abgebrannten Brennelementen) eingelagert werden können. Es würde laut Greenpeace-Angaben 39 Jahre dauern, bis eine derart große Halle voll wäre. Das Zwischenlager müßte dann fast 80 Jahre mit seinem radioaktiven Inhalt stehen bleiben. Angeblich ist nicht vorgesehen, auch Atommüll von anderen Standorten in Brokdorf einzulagern.

5.

Bitte lassen Sie auch klären, ob der vorgesehene Bauplatz für das atomare Zwischenlager planungsrechtlich durch die bisherige Ausweisung als "Sondergebiet Kernkraftwerk" zulässig ist, denn bei der Planung des AKW Brokdorf war keine Rede davon, daß auch ein atomares Zwischenlager errichtet werden sollte, das ca. 40 Jahre länger betrieben wird als das AKW selbst. Sie könnten die Landesregierung bitten, sich dafür einzusetzen, daß die atomrechtliche Genehmigung nach § 7 statt nach § 6 Atomgesetz vorgenommen wird. Dann wären die Mitspracherechte der Bevölkerung größer.

6.

Die Ratsversammlung der Stadt Geesthacht hat im Mai 2000 einstimmig beschlossen, dem Zwischenlager beim AKW Krümmel das gemeindliche Einvernehmen zu versagen, bis geklärt ist, ob vom atomaren Zwischenlager schädliche Umwelteinflüsse ausgehen (s. Anlage)
- Das wird erst die Entscheidung des Bundesamts für Strahlenschutz ergeben, die noch nicht vorliegt. Auch für das atomare Zwischenlager Brokdorf ist das atomrechtliche Genehmigungsverfahren noch lange nicht abgeschlossen. Die Gemeinde Brokdorf könnte (wie die Stadt Geesthacht) ihr Einvernehmen so lange zurückstellen, bis das Bundesamt für Strahlenschutz über die Genehmigungsfähigkeit des Zwischenlager Brokdorf positiv entschieden hat.

7.

Auch wenn Sie "nur" über den Bauantrag zu entscheiden haben, so sollten Sie bei Ihrer Abwägung berücksichtigen, daß in der Halle nach 20 Jahren fünfmal mehr langlebige radioaktive Stoffe lagern werden als im Reaktor selbst. Trotz der von dieser Halle ausgehenden Gefahr, wird nach unseren Informationen die Standsicherheit der Halle nur unzureichend gegen Flugzeugabsturz, Hochwasser, Explosionen, Sabotage und kriegerische Einwirkungen ausgelegt. Die Kühlung der Brennelemente ist aber nur gewährleistet, wenn die Halle intakt bleibt. Die Betonfestigkeit ist nicht abschließend geklärt, denn die Castorbehälter sind außen bis zu 80 Grad Celsius heiß. Bei Unfällen kann es zu gefährlichen Wechselwirkungen zwischen dem Zwischenlager und dem AKW kommen. Außerdem ist keine Überwachung der radioaktiven Freisetzungen aus der Halle vorgesehen, Die Behälter können von außen mit radioaktiven Teilchen kontaminiert sein, sie können rosten (im Zwischenlager Ahaus sind alle 305 Behälter schon nach 5 Jahren stark korrodiert), das Deckelsystem kann undicht werden, das sich im Inneren bildende Gas kann den Behälter sprengen. Die Castorbehälter sind nur für eine Standzeit von 40 Jahren zugelassen. Eine Reparatureinrichtung in der Halle ist nicht vorgesehen. Die Arbeiter in der Halle sind einer starken radioaktiven Strahlung ausgesetzt.

Wir bitten Sie, sich den Bauantrag selbst durchzulesen (z. B. im Umlaufverfahren), um sich - über die Vorlage des Amts Wilstermarsch hinaus - selbst einen Eindruck davon zu verschaffen, z. B. ob die Umweltverträglichkeitsuntersuchung vollständig ist.

Wenn Sie möchten, können wir Ihnen die Gefahren näher erläutern oder Experten aus Reaktorsicherheits- und Strahlenschutzkommission benennen.

Mit freundlichem Gruß


Heike Klessig, Gudendorf, Tel. 04859/222
Karsten Hinrichsen, Brokdorf, Tel. 04829/7080
Bernd Meyer-Stromfeldt, Gettorf, Tel. 04346/5044