taz - LeserInnenbriefe/ Berlin
12.10.1998
Zentrale Zwischenlager sind ein Irrweg
betr: "Eine Überdosis guter Ratschläge an die
Koalitionäre", taz vom 12.10.98
Wenn ich den Artikel zu den Atomausstiegsverhandlungen von Rot und
Grün seiner Häme entkleide hat Gerd Rosenkranz folgendes
geschrieben: Die Lobbyisten (und dazu gehören in der Tat auch
die AKW-Gegner) sollen SPD und Grüne mit guten Ratschlägen
verschonen. Ein Sofortausstieg ist nicht nötig. Die Errichtung
zusätzlicher Zwischen1ager ist hinnehmbar.
Die Grünen haben im Wahlkampf plakatiert: Atomausstieg nur
mit uns. Nun wollen sie, ohne auch nur ein einziges AKW abgeschaltet
zu haben, zirka 15 zusätzliche Atomanlagen - und das sind Zwischenlager
ja wohl -errichten lassen. Da ist es doch nur zu verständlich,
die Grünen zu warnen. Falsch wäre es vielmehr, die Ausstiegsdebatte
mit den Grünen nicht mehr zu führen, wozu sich Teile der
Anti-AKW-Bewegung entschlossen haben, weil sie die grüne Partei
als "parlamentarischen Arm für den Ausstieg" abgeschrieben
haben.
[ ... ] Infam ist die Unterstellung, wer gegen einen Zubau von
Zwischenlagern ist, der paktiere mit den Betreibern, weil die auch
dagegen sind. Erstens haben die RWE bereits signalisiert, sie könnten
mit mehreren Zwischenlagern leben (warum auch nicht: sie ermöglichen
ja -langfristig betrachtet - einen 40jährigen, von Transportdemos
unbehelligten Weiterbetrieb der AKWs). Und zweitens, für mich
als "Anti-Brokdorf-Aktivist" gilt: die friedliche und
militärische Nutzung der Atomenergie sowie Anlagen der Brennstoffhandhabung
und Nukleartransporte verhindern.
Bei der Propagierung der zirka 15 zusätzlichen Zwischenlager
geht es SPD und Grünen nur vordergründig um eine Minimierung
der Transportgefahren (dann wäre ein Verbot der Transporte
doch das einzig richtige Mittel). Beide Regierungsparteien wollen
sich die lästigen Begleiterscheinungen bei den Castortransporten
vom Hals schaffen. Die sind aber gerade die treibende gesellschaftliche
Kraft, um auf parlamentarischem Weg überhaupt die Stillegung
aller Atomanlagen durchsetzen zu können. Deshalb sind dezentrale
Zwischenlager ein Irrweg.
Karsten Hinrichsen, Kläger gegen das AKW Brokdorf, das
deshalb noch immer keine bestandskräftige Genehmigung hat. |