Norddeutsche Rundschau
17.05.1994
Zug wurde gestern in Wilster gestoppt
Atomtransport: Demonstranten hingen von der
Brücke
BROKDORF/WILSTER
( t a ). Durch das Hintertor verließ gestern der siebente
Atommülltransport mit abgebrannten Brennelementen das Kernkraftwerk
Brokdorf zur Wiederaufbereitungsanlage nach Sellafield. Wie bei
den bisherigen Transporten versuchten Demonstranten der Aktionsgruppe
"Wir schützen die Kinder von Sellafield", auf die
Gefahren des Transportes aufmerksam zu machen.
Einem Katz- und Maus-Spiel glichen die Aktionen am gestrigen Vormittag.
Eine Gruppe der Demonstranten hatte sich in Brunsbüttel versammelt.
Dies war jedoch nur ein Ablenkungsmanöver, denn ein Teil der
Kernkraftgegner war zwischenzeitlich in Wilster eingetroffen. Nachdem
die abgebrannten Brennelemente in Brunsbüttel auf den Zug verfrachtet
wurden, blockierten die Kernkraftgegner in Wilster die Schienen
und zwangen dadurch den Lokführer, den Transport zu stoppen.
Von der hölzernen Fußgängerbrücke über
den Gleisen ließen sich zwei Demonstranten mit einem Transparent
abseilen. Eine halbe Stunde später gelang es der Polizei, die
beiden herunterzuholen. Gegen sie wurde Anzeige erstattet.
Mittlerweile hatten sich auch viele Schüler der benachbarten
Schule und des Schwimmbades eingefunden, um die Aktion zu verfolgen.
Durch ein Megaphon wurden sie über die Gründe aufgeklärt.
Bereits um 6 Uhr morgens hatten sich die Atomkraftgegner vor dem
Tor in Brokdorf versammelt. Mit Kaffee und frischen Brötchen
luden sie die Belegschaft des Kernkraftwerkes zum Frühstück
ein, die mit ihren Autos nicht auf das Gelände kamen. Nach
einer halben Stunde konnten die Arbeiter durch das zweite Tor zu
ihrem Arbeitsplatz. Farbig wurde es kurz vor 9 Uhr, als der Transport
Richtung Brunsbüttel fahren sollte. Bunt bemalt saßen
die Teilnehmer der angemeldeten Demonstration vor dem Tor. Die Umleitung
über Tor 2 begründete Einsatzleiter Gerhard Büttner
mit der räumlichen Enge vor dem Kernkraftwerk. Zudem wollte
man eine Auseinandersetzung mit den farbenfrohen Demonstranten vermeiden.
Der letzte Transport abgebrannter Brennelemente in diesem Jahr
ist für den 24. Mai geplant. |