Norddeutsche Rundschau
23.10.2000
Gegner kritisieren neue KKW-GmbH
Nach Fusion Abstriche bei Sicherheit?
Mit heftiger Kritik reagieren jetzt Atomkraftgegner
auf die Fusion nord- und süddeutscher Betreiber von Kernkraftwerken
zur eon Kernkraft GmbH. Dies birge, so Sprecher Karsten Hinrichsen,
Schwachstellen in der Aufsicht und in die Organisation.
BROKDORF
(I n o )
Atomkraftgegner an der Unterelbe kritisieren Mängel in der
Führungs- und Organisationsstruktur des Kernkraftwerkes Brokdorf
und sieben weiterer deutscher Reaktoren. Die Fusion nord- und süddeutscher
Betreiber zur Preussen Elektra Kernkraft GmbH. die neuerdings unter
eon Kernkraft GmbH firmiert, erhebliche sicherheitsrelevante Schwachstellen
auf, bemängelte die "Unterstützungsgruppe Brokdorf-Klage"
am Sonnabend in Brokdorf.
Die Bürgerinitiative um den Brokdorfer Kläger gegen das
Atomkraftwerk, Karsten Hinrichsen, verweist auf Mängel im Genehmigungsbescheid
zum Betreiberwechsel.
Der Bescheid der Kieler Atomaufsichtsbehörde für das
AKW Brokdorf weise darauf hin, dass nunmehr für jedes Werk
zwei Geschäftsführungsressorts zuständig seien, die
widersprüchliche Weisungen geben könnten. "Letztlich
wird der angewiesene Mitarbeiter im Problemfall erkennen müssen,
dass zwei Weisungen vorliegen von denen eine Vorrang hat. Dies ist
eine organisatorische Schwachstelle..." zitiert die Initiative
aus dem am 25. August ergangenen Genehmigungsbescheid.
Diese Schwachstelle, die auch in den Bescheiden für die anderen
Atomkraftwerke der eon angemahnt würde, sei eine klare Sicherheitseinbuße,
sagte Hinrichsen. Damit trage der Atomkonsens zwischen Bundesregierung
und AKW-Betreibern negative Früchte. Derart "schlampige
Genehmigungsbescheide" seien früher nicht erteilt werden,
meint Hinrichsen. "Die Friedenspflicht geht offensichtlich
so weit, dass sogar Abstriche in Fragen der Sicherheit gemacht werden."
Auch der Bremer Atomrechtler Professor Gerd Winter, mit dem sich
die Initiative beraten hat, kritisierte die Schwachstellen. "Es
handelt sich um wesentliche Organisationsfragen, von denen die Sicherheit
des AKW Brokdorf abhängt. Das Vorsorgegebot verlangt, dass
auch die Organisationsstruktur genau geprüft wird. Es scheint
so, dass im Genehmigungsverfahren diesen Fragen nicht ausreichend
nachgegangen wurde", wird Winter zitiert.
Die "Unterstützungsgruppe Brokdorf-Klage" bemängelt
zudem, dass die Öffentlichkeit an dem wegen steuerlicher Vorteile
für die Betreiber äußerst schnell ergangenen Bescheid
nicht beteiligt worden ist. Hinrichsen: "Der Bescheid wurde
erst bekannt gemacht, nachdem er bereits erteilt war. Eine undemokratische
Praxis, die in der Reaktorsicherheitsabteilung zum Regelfall geworden
ist."
Der Preussen Elektra Kernkraft GmbH, die mit Bayernwerk Kernenergie
GmbH fusionierte und sich seit kurzem eon Kernkraft GmbH nennt,
betreibt neben dem Atomkraftwerk in Brokdorf auch die niedersächsischen
Reaktoren in Stade, Grohnde, Unterweser und die bayrischen Isar
1 und 2 sowie Grundremmingen und Grafenrheinfeld. Sie ist damit
der größte deutsche Kernkraftbetreiber. Die Kernkraftgegner
sehen darin weitere Sicherheitsrisiken. Hinrichsen: "Mit kaum
erweitertem Personalbestand müssen erheblich mehr Aufsichtsmöglichkeiten
wahrgenommen werden."
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