Norddeutsche Rundschau
12.08.2000
Brokdorf: Aktionskreis "Stilllegen sofort"
fürchtet geringeren Schadenersatz bei Unfällen
AKW: Wer haftet in welcher Höhe?
KREIS STEINBURG
( g ö )
Bislang läuft das Brokdorfer Atomkraftwerk unter der Regie
der PreußenElektra AG. Nun wird es die "PreußenElektra
GmbH" sein - eine auf den ersten Blick kleine, aber für
Atomkritiker nicht unwesentliche Änderung: Hier handele es
sich um einen Besitzerwechsel.
Und dieser habe gravierende Folgen im Fall der Fälle: Kommt
es zu einem Unfall, fällt nach Meinung von Karsten Hinrichsen,
Sprecher der Initiative "Stilllegen sofort", die Deckungssumme
für die angerichteten Schäden geringer aus als bislang.
"Bisher war diese Summe unbegrenzt," so Hinrichsen.
Bei einer GmbH reduziere sich die Haftung auf das Vermögen
der Gesellschaft: In diesem Fall seien dies 400 Millionen Mark,
das Gesellschafterkapital. In Anbetracht möglicher Milliardenschäden
eine nach Hinrichsens Meinung viel zu geringe Summe. "Weit
mehr Menschen als bisher müssten auf eine Entschädigung
verzichten."
Für den Arbeitskreis ist dieser Wechsel denn auch eine "wesentliche
Änderung". Und die wiederum hätte unter Beteiligung
der Öffentlichkeit durchgeführt werden müssen "und
nicht im stillen Behördenkämmerlein" - gerade in
dieser Zeit des regierungsoffiziell propagierten langfristigen Atomausstiegs.
Die entsprechende Genehmigungsbehörde gehört dem Kieler
Ministerium für Finanzen und Energie an.
Damit habe man auch eine öffentliche Diskussion vermieden.
"Leider hat es sich eingebürgert, dass die Bevölkerung
erst lange Zeit nach einer Entscheidung darüber informiert
wird", so Hinrichsen.
Im Ministerium weist man die Vorwürfe von sich: "Es ging
hier in keiner Hinsicht um sicherheitstechnische, sondern nur um
organisationstechnische Fragen", erklärt Energiestaatssekretär
Wilfried Voigt. Nur in Sachen Sicherheitstechnik komme eine Beteiligung
der Öffentlichkeit in Frage.
Ähnlich die Reaktion der PreußenElektra, die in dem
Vorgang lediglich einen Formen- und keinen Besitzerwechsel sieht:
"Es bleibt die selbe Gesellschaft", sagt PreußenElektra-Pressesprecherin
Petra Uhlmann (Hannover) Dieser "Formenwechsel" bereite
eine Fusion mit den Bavernwerken vor: Unter dem Namen "E.ON-Kernkraft"
würden dann beide Energiekonzerne gemeinsam ihre Atomkraftwerke
betreiben "ein rein juristischer Schritt", so Petra Uhlmann.
Für die Atomkritiker bedeutet dieser Schritt jedoch, dass
PreußenElektra zusätzlich auch für Schäden
in bayerischen Meilern aufzukommen habe - was den Schadenersatz
im Einzelfall verringere.
Petra Uhlmann hält dagegen, dass die PreußenElektra
AG für sämtliche Verbindlichkeiten der GmbH einstehe.
Darüber hinaus stehe der Veba-Konzern für Verbindlichkeiten
der PreußenElektra ein. Grundlage sei ein Ergebnisabführungsvertrag
zwischen beiden Unternehmen. Am Ende werde mit dem gesamten Vermögen
gehaftet, "und das wird auch in Zukunft so bleiben", sagt
Petra Uhlmann. Auf die Haftung hätten die aktuellen Vorgänge
keinen Einfluss.
Der Aktionskreis will sich damit jedoch nicht zufrieden geben.
"Wir lassen den Sachverhalt durch einen Anwalt prüfen",
sagt Hinrichsen.
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