Norddeutsche Rundschau
16.11.1995
Trotz Unfall KKW-Brokdorf mußte nicht abgeschaltet
werden
Kümo rammte Kühlwassereinlauf
HAMBURG. Rund zehn Stunden lang stand der 37jährige Kapitän
des Küstenmotorschiffes "Connie" (299 BRT) allein
am Ruder, dann übermannte ihn gegen 4 Uhr morgens offenbar
der Schlaf. Jedenfalls tuckerte der kleine Frachter in der Nacht
zu gestern geradeaus, wo das Fahrwasser der Elbe bei Tonne 67 eine
Biegung macht und rammte ausgerechnet das Kühlwasserbauwerk
des Kernkraftwerks Brokdorf. Der Reaktorbetrieb war zu keiner Zeit
in Gefahr.
Das Schiff war auf dem Weg von Bremen nach Hamburg. Ladung hatte
es nicht an Bord - und auch keinen Steuermann. Auf dem Frachter
befanden sich nur der Kapitän, ein Deutsch-Pole sowie zwei
Matrosen aus Polen und Ghana, die keine Berechtigung hatten, das
Kümo zu führen. Nach der Kollision - die "Connie"
war auf den Eisabweiser der unter der Wasseroberfläche liegenden
Ansaugkanäle geprallt - wachte der Skipper offensichtlich auf.
Jedenfalls konnte er sein Schiff wieder zurücksetzen und in
Begleitung eines Küstenstreifenbootes der Hamburger Wasserschutzpolizei
die Reise in die Hansestadt fortsetzen. Am Fischereihafen machte
die "Connie" gestern mittag fest. Schon zuvor hatten die
Beamten durch einen Atemalkoholtest festgestellt, daß der
Kapitän nicht nüchtern war.
Die "Connie" wurde bei dem Unfall auf einer Länge
von zwölf Metern aufgerissen "Eine technische Ursache
für den Kurswechsel ist nach einer Inspektion des Schiffes
auszuschließen", so Michael Wenig. An dem Kühlwassserbauwerk
ist ein Schaden von rund 30000 Mark entstanden. Der Kühlwassereinlauf
befindet sich etwa 60 Meter vom Deich entfernt in der Elbe. Die
Kanäle, durch die etwa 60 Kubikmeter Wasser pro Sekunde für
die Kühlung des liegen etwa dreieinhalb Meter unter dem Wasserstand
von Normalnull (NN). Die "Connie" hatte einen Tiefgang
von nur zwei Metern und hätte die Kanäle deshalb auch
nicht beschädigen können. Gesichert ist das Unterwasserbauwerk
durch Seezeichen, Eisabweiser und eine Beleuchtungsanlage. Bei einer
schweren Beschädigung der Kanäle, etwa durch ein größeres
Schiff mit mehr Tiefgang, müßte der Reaktor abgeschaltet
und durch ein Notsystem gekühlt werden.
THOMAS WOLGAST
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