SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache10/2210
10. Wahlperiode 31.08.87
Kleine Anfrage
des Abg. Dr. Jürgen Hinz (SPD)
und
Antwort
der Landesregierung -Sozialminister -
Ereignisse in schleswig-holsteinischen Atomkraftwerken
1. a) Welche Vorkommnisse in den schleswig?holsteinischen Atomkraftwerken
werden dem Sozialminister als Genehmigungs- und als Aufsichtsbehörde
über die der Gesellschaft für Reaktorsicherheit zu meldenden
besonderen Vorkommnissen hinaus gemeldet?
b) Nach welchen Kategorien werden die Vorkommnisse aufgeschlüsselt?
Neben den nach bundesaufsichtlicher Weisung
zu meldenden besonderen Vorkommnissen (GMBI. 1985, Seite 433) sind
der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde auch Vorkommnisse gesondert
zu melden, die in der Öffentlichkeit besondere Aufmerksamkeit
erregen oder erregen können. Dazu gehören insbesondere
folgende Kategorien von Vorkommnissen:
- Brände mit externem Feuereinsatz;
- Unfälle mit Schwerverletzten und Toten,
auch ohne Strahleneinwirkung;
- Aktivitätsfreisetzungen innerhalb
des Kraftwerks,
die umfangreiche Dekontaminationsarbeiten erfordern;
- Bombendrohungen, Sabotage, Sabotagedrohungen,
Verletzungen des äußeren und inneren Sicherheitsbereichs;
- Demonstrationen.
Routinemäßig erhält die Aufsichtsbehörde
im übrigen ausführliche Berichte der Betreiber über
betriebstechnische Daten und Abläufe sowie Besonderheiten in
den Anlagen.
c) Welche Vorkommnisse wurden seit dem 1.1.1986 gemeldet?
Siehe Anlage 1.
2. Welche besonderen Vorkommnisse im Atomkraftwerk Brokdorf
wurden seit dem 1.1.1986 gemeldet?
Siehe Anlage 2.
3. a) Handelte es sich bei den defekten und 1982 durch neue ersetzten
Betriebsartenschaltern im Atomkraftwerk Brunsbüttel um ein
besonderes Vorkommnis?
Wenn nein, warum nicht?
Nein. Die Defekte der Betriebsartenwahlschalter
sind ohne sicherheitstechnische Bedeutung. Die KKB GmbH hat allerdings
Defekte an diesen Schaltern zweimal als Vorkommnisse gemeldet.
b) Wurde das Auswechseln vorn Sozialministerium genehmigt?
Wenn ja, wo ist der Genehmigungstext veröffentlicht worden?
Nein. Die Änderung der Betriebsartenwahlschalter
war keine wesentliche Änderung im Sinne des Atomgesetzes und
bedurfte daher keiner Genehmigung.
c) Welche Gefährdung ging von diesen Betriebsartenschaltern
aus, wenn sie im Anforderungsfall versagten?
Keine.
4. a) Kann (welchem Personenkreis) auf Antrag die Einsichtnahme
in die Wochenberichte, Monatsberichte und Wasserbücher der
schleswig?holsteinischen Atomkraftwerke gewährt werden?
Wenn nein, warum nicht?
Auch für die atomrechtliche Aufsichtsbehörde
gelten die Verschwiegenheitspflichten des Gewerberechts. Danach
kann die Behörde die Einsichtnahme in Aufzeichnungen über
betriebliche Verhältnisse eines Betreibers von Kernkraftwerken
nicht gewähren.
b) Hat das Sozialministerium auch Zugang zu den Monatsberichten
des Atomkraftwerks Stade?
Wenn nein, ist ein Antrag auf Zugang gestellt worden?
Nein. Es bestand und besteht keine Veranlassung,
das für die atomrechtliche Aufsicht über das Kernkraftwerk
Stade zuständige Niedersächsische Umweltministerium um
Überlassung von Monatsberichten zu bitten.
Anlage 1
Übersicht über gemeldete Vorkommnisse
in den Kernkraftwerken
Brunsbüttel, Krümmel und Brokdorf
seit dem 01.01.1986
(zu Frage 1 c)
Kernkraftwerk Brunsbüttel:
- 2 Bombendrohungen, - Brand in einem Container auf dem Außengelände,
- 1 Demonstration.
Kernkraftwerk Krümmel:
- Erhöhte Meßwerte in Fortluft und Abwasser aufgrund
der durch den Tschernobyl
- Unfall verursachten Vorbelastung der Umgebungsluft und des Elbwassers;
- Zahnradschaden am Getriebe der Turbinen
- Hauptschmierölpumpe mit anschließendem Abfahren der
Anlage zum Brennelementwechsel;
- 4 Blockaden der Kraftwerks
- Zufahrt durch Demonstranten;
- Bombendrohung;
- Besetzung eines Hochspannungsmastes;
- versuchte Sabotage an einem Hochspannungsmast;
- Sprengstoffanschlag auf einen Hochspannungsmast;
- erhöhte Aerosolaktivität in der Umgebungsluft am Standort
Krümmel bei austauscharmer Wetterlage (Folgeprodukte natürlichen,
im Boden enthaltenen Radiums); - 2 Demonstrationen;
- Hochwasser der Elbe;
- Reparatur am Generator.
Kernkraftwerk Brokdorf:
- 3 Bombendrohungen; - 14 Demonstrationen; - Eindringen von Unberechtigten
in den Baustellenbereich; - Betriebsunfall.
Anlage 2
Übersicht der besonderen Vorkommnisse
im Kernkraftwerk Brokdorf
seit dem 01. Januar 1986
(zu Frage 2)
1. Ereignisse der Kategorie V
1. Lokale Dampfbildung im Zwischenkühlsystem durch Fehlschaltung
2. Schaden an einer Nockenwelle eines Notstromdiesels
3. Lagerschaden am Abgasturbolader eines Notstromdiesels
4. Lagerschaden im Bereich der Kurbelwellenlager eines Notstromdiesels
2. Ereignisse der Kategorie E
1. Abschaltung einer Pumpe zur Kühlung des Brennelementenlagerbeckens
wegen eines Lagerschadens
2. Fehlerhaftes Offenbleiben eines Abblaseventils am Druckhalter
3. Haarriß und Leckage einer Probeentnahmeleitung
3. Ereignisse der Kategorie N
1. Fehlauslösung eines Reaktorschutzsignals
2. Defekt in der Elektronik eines Umformers
3. Unbeabsichtigter Start eines Notstromdiesels
4. Fehlerhaftes Öffnen eines Ventils bei einem Notstromdiesel
5. Korrosion an den Federn der Vorsteuerventile der Frischdampfarmaturenstation
6. Ausfall einer Einspritzpumpe an einem Notstromdiesel
7. Fehlerhaftes Abschalten eines Antriebes des Frischdampfabblaseregelventils
8. Abriß von Schrauben an einem Notstromdiesel
9. Kondensation nach Temperaturabfall in Druckhalterleitung
10. Nichtschließen einer Armatur am Druckspeicher
11. Nichterreichen der Überleistung von 110 % bei einem Notstromdiesel
12. Fehlerhaftes Öffnen eines Ventils der Anlaßluftversorgung
eines Notstromdiesels
13. Nichtöffnen eines Notspeiseregelventils
14. Nichtschließen der Armatur eines Druckspeichers
15. Versagen einer Sicherheitseinspeisepumpe
16. Reaktorschnellabschaltung durch fehlerhaften Einfall eines
Steuerstabes und durch ein gestörtes Speisewasserregelventil
17. Turbolagerschaden an einem Notstromdiesel
18. Zündaussetzer an einigen Zylindern eines Notstromdiesels
19. Fehlöffnen eines Primärabblaseventils bei niedrigem
Kühlmitteldruck während des Anlagenstillstandes
20. Lagerschaden an einer Kältemaschine
21. Ausfall einer Nachkühlpumpe
22. Anforderung der Notstromdiesel bei Prüfung des Generatorschutzes
23. Nicht erfolgte Abschaltung eines Notstromdiesels bei Anforderung
im Rahmen der wiederkehrenden Prüfungen
24. Lastabsenkung durch Fehlsignal mit nachfolgender Reaktorschnellabschaltung |