Norddeutsche Rundschau

25.11.1999

Keiner will die Brokdorf-Millionen:

Auch der Kreis winkt dankend ab

Den 30-Millionen-Mark-Segen aus einer Steuer-Nachzahlung vom Kernkraftwerk Brokdorf will offenbar keiner haben. Nach dem Orts-Bürgermeister hat jetzt auch der Kämmerer der Steinburger Kreisverwaltung dankend abgewunken. Er befürchtet finanzielle Nachteile.

BROKDORF/ITZEHOE

( v m )

Die Aussicht auf Steuermillionen vom Kernkraftwerk Brokdorf lässt auch beim Kreis Steinburg nicht unbedingt Freude aufkommen. Nach Orts-Bürgermeister Eggert Block winkt jetzt auch Kreiskämmerer Jochen Hiller dankend ab. Er befürchtet, dass aus der unerwarteten Finanzspritze ein - Bumerang werden könnte. Hiller kündigt gegenüber unserer Zeitung an, gleich Anfang nächsten Jahres ein Gespräch in Kiel führen zu wollen, bei dem es mögliche Nachteile durch den scheinbar nur vermeintlichen Vorteil gehen soll.

Auf den ersten Blick sollte die Nachricht von den SteuerMillionen bei Verwaltungen und Politikern eigentlich Jubel auslösen. Auf 30 Millionen Mark bezifferte Block zuletzt vor dem Amtsausschuss Wilstermarsch den zu erwartenden Gewerbesteuer-Segen. Hintergrund ist die Berliner Steuerpolitik, nach der die insgesamt rund 50 Milliarden Mark umfassende Rücklage der Atomwirtschaft für Maßnahmen wie Abriss und Entsorgung künftig mit Steuern belegt werden soll. Vom Betreiber des Kernkraftwerks, der PreußenElektra, werden rund 30 Millionen Mark als Einmalzahlung erwartet.

Bürgermeister und Amtsvorsteher Eggert Block sieht dem Füllhorn mit höchst gemischten Gefühlen entgegen. Unter anderem befürchtet er, dass eines Tages ein Bundesgericht die Rücklagen-Steuer kippt und seine Gemeinde wieder herausrücken muss (wir berichteten).

Unabhängig von etwaigen Gerichtsverfahren befürchtet Kreiskämmerer Hiller aber schon sehr viel früher nachteilige Auswirkungen. Das Gros der Steuer-Millionen (92 Prozent) landet mit Kreisumlage und Sonderumlage nämlich im Kreishaus. Die unplanmäßige Einnahme kann laut Hiller aber fatale Folgen haben, die mit dem System des Finanzausgleichs zusammenhängen. Bessere Einnahmen bedeuten nämlich höhere Steuerkraft. Dies wiederum mindert unter Umständen drastisch die Schlüsselzuweisungen. Missliches Ergebnis: "Der Kreis könnte bei einer so hohen Steuereinnahme letztlich als Verlierer dastehen." Zu diesem Zeitpunkt könne keiner sagen, was im Einzelnen droht, meinte Hiller. Ohnehin werde die Steuer-Einnahme erst im Haushalt für das Jahr 2001 wirksam. Weil entscheidende Finanzdaten jetzt noch nicht zur Verfügung stehen, ist die Bandbreite möglicher Auswirkungen gewaltig. Hiller: "Das reicht von 100000 Mark Haben bis zu einer Million Mark Minus!" Gewinner wäre letztlich das Land, sagt Hiller. Kiel aber würde das Geld nur weiter verteilen - und die Steuermillionen würden in Flensburg oder Stormarn landen.

Dass die Ängste um die Kreiskasse nicht unbegründet sind, macht der Kämmerer übrigens an Beispielen aus anderen Orten deutlich. So habe es vor drei Jahren in Geesthacht und erst im vergangenen Jahr in Brunsbüttel erhebliche und vor allem unerwartete Gewerbesteuer-Nachzahlungen gegeben. "Da haben auch erst alle hurra geschrien." Und dann sei das dicke Ende
nachgekommen.

Ganz anders als die Verwaltung reagierte gestern der Aktionskreis "Stilllegen sofort" auf die Nachricht vom Steuersagen. Sprecher Karsten Hinrichsen: "Wir möchten Herrn Block Mut machen, für das Geld (eine "bislang legalisierte Steuerhinterziehung") Gemeindewohnungen oder eine Sonnenkollektoranlage für das Freibad zu finanzieren." Mit einem Gerichtsentscheid auf Rückzahlung rechnet Hinrichsen nicht. Nach der Steuersystematik müsste dann nämlich über die Zeitdauer der Rückstellungen und damit über die Brokdorf-Restlaufzeit entschieden werden.