Norddeutsche Rundschau
LESERMEINUNG
14.03.1992
Nukleare Diktatur
BROKDORF (nr). Zum Artikel "Brokdorf-Demos mit Stasi-Hilfe-"
(NR, 12. März 1992) schreibt Ekkehard Sachse aus Wewelsfleth
folgenden Leserbrief:
Unser Widerstand gegen Brokdorf hat sich in verschiedenen Formen
ausgedrückt: In den ersten Wochen durch die Phase des Leserbriefs,
dann mit 20000 Unterschriften erzwungene öffentliche Anhörungs-
und Erörterungstermine, auch mit vier Gemeinde- und neun Einzelklagen
vor dem Verwaltungsgericht und schließlich mit bis zu 100000
Demonstranten bei den eindrucksvollsten Demonstrationen der Geschichte
der Bundesrepublik.
Die unserem gemäßigten Temperament und unserem konservativen
Verhältnis zum Staat gewohnten Formen der Auseinandersetzung
haben wir ausgeschöpft bis zur bitteren Neige. Das Gespräch
mit den Politikern mündete nur allzuoft im Wahlbetrug. Der
Protest vor den Behörden wurde nicht selten mit Machtmißbrauch
beantwortet. Und unsere Klage wurde im vorläufigen Baustopp
solange hingehalten, bis die gemeinsame Front der Industrie über
die Regierungen, Parteien und Gewerkschaften bis hin zu den Gerichten
geschlossen war.
Wir haben diesen achtjährigen "Aufstand der Amateure"
so nannte uns Helmut Schmidt, verloren. Der Atomlobby sind inzwischen
allerdings auch ihre Argumente für den Einstieg in die Atomenergie
entfallen. Ich erinnere nur an die amtlichen Voraussagen: die ausgehenden
Lichter, die Ölkrise der in 20 Jahren erschöpften Ressourcen,
die überhöhten Bedarfsprognosen, den billigsten Atomstrom,
den Atomreaktor als Motor der Arbeitsbeschaffung, die umweltfreundlichste
Energie à la Tschernobyl.
Wenn eines Tages die Strahlenbelastung sogar den Autolack ankratzte,
dann würden wir die nukleare Diktatur durch den Volksentscheid
überwinden
Ekkehard Sachse
Wewelsfleth |