5. März 2002
Liebe Bürgerinnen und Bürger von Brokdorf
Heute am 6. März stehen wir wieder vor Ihrem Atomkraftwerk
- wie schon seit vielen Jahren - um zu mahnen und auf die Risiken
und Gefahren der Atomkraftwerke aufmerksam zu machen. Wir sind betroffen
über die Vorkommnisse um das AKW Brunsbüttel. Besonders
beunruhigt uns die Frage:
"Hat mittlerweile die Wirtschaftlichkeit (Profit) Vorrang
vor der Sicherheit?"
Wir würden gerne mit Ihnen ins Gespräch kommen über
diese und andere existenzielle Fragen. Ab 14.00 Uhr sind wir vor
dem Haupttor des AKW hier in Brokdorf.
Wenn Sie uns schreiben wollen - dann bitte an folgende Adresse:
Basisgemeinde Wulfshagenerhütten, Hilde Ott
24214 Gettorf
04346 / 36 80 00
freundliche Grüße
Hilde Ott
Sicherheit mit Füßen getreten?
Kernkraftwerk Brunsbüttel
Die Fakten
1 . Am 14.12.01 zerfetzt eine Detonation die Zuleitung zur Deckeldusche
im Sicherheitsbehälter auf einer Länge von ca. 2 Metern.
Das 10 cm starke Rohr sieht aus wie eine Rohrbombe nach der Sprengstoffzündung,
2. Die Betriebsmannschaft sperrt die Leitung nach ca. 4 Minuten
ab, die Freisetzung radioaktiven Kühlmittels bleibt innerhalb
der genehmigten Menge.
3. Der Betreiber vermutet eine Flanschundichtigkeit und will den
Schaden erst während der Jahresrevision im Mai inspizieren.
Die Aufsichtsbehörde in Kiel versucht darauf tun mehrfach,
den Betreiber von einer sofortigen Inspektion zu überzeugen.
4. Am 18. 2.02 - endlich - wird das AKW in den Zustand "hot
stand by" heruntergefahren. Das aufgeplatzte Rohr wird entdeckt
und der Reaktor unverzüglich stillgelegt.
5. Auf dem rauschenden Fest zum 25-jährigen Betrieb des AKW
Brunsbüttel stellt der Kraftwerksleiter Herr Brodale, fest,
dass "wir immer nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben",
Zitat aus der Brunsbütteler Rundschau vom 18.02.02.
6. Laut Brunsbütteler Zeitung vom 19.02.02 hält der Pressesprecher
der HEW die zerstörte "Leitung für die Sicherheit
des Meilers nicht von Bedeutung".
Nun unsere Bemerkungen:
a. Wenn die Leitung ohne Bedeutung für die Sicherheit ist,
warum wird das AKW dann sofort stillgelegt, nachdem der Schaden
entdeckt wurde?
b. Wenn der Betreiber nach bestem Wissen handelt, dann hat er wohl
nicht genügend Fachkompetenz, um ein AKW zu fahren.
c. Hat der Betreiber aber genügend Fachkenntnis, dann hat
er nicht nach bestem Gewissen gehandelt, sondern die Anwohner zwei
Monate lang einer erheblichen Gefährdung ausgesetzt. Denn es
brauchten nur noch die Absperrungen am Reaktordruckgefäß
versagen und es hätte ein 10 cm dickes Leck im Kühlkreislauf
gegeben - mit den entsprechenden Folgen.
d. Wie stark ist überhaupt noch die Position der Aufsichtsbehörde,
wenn sie so lange benötigt um den Betreiber zum Abfahren zu
bewegen. Hier zeigen sich bereits dramatisch die Auswirkungen der
"Friedenspflicht", zu der sich die Politik gegenüber
der Atomlobby im sog. Konsensvertrag verpflichtet hat.
e. Wurde das AKW erst so spät abgefahren, weil die 25-Jahr-Feier
nicht gestört werden sollte und die Fusion von HEW mit Vattenfall?
f. Hat mittlerweile die Wirtschaftlichkeit (Profit) Vorrang vor
der Sicherheit?
g. Besonders beunruhigt uns die Frage, ob die Sicherheitsphilosophie
für deutsche AKWs noch Bestand hat. Danach wird davon ausgegangen,
dass sich bei basissicheren Rohren Risse immer erst durch Leckagen
ankündigen, so dass es angeblich nie zu einem spontanen, katastrophalen
Versagen kommen kann. Falls es sich um eine Wasserstoffexplosion
gehandelt hat, bedeutet das, dass hier ein prinzipieller Konstruktionsfehler
vorliegt?
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