6. Februar 1998
Liebe Mitmenschen vom AKW Brokdorf,
bestimmt denken viele von Ihnen, daß es gegenwärtig
wohl dringendere Probleme für uns geben sollte, als uns allmonatlich
an Ihrem Tor die Gefahren der Atomkraftnutzung vor Augen zu halten.
Wenn Se dabei an die Sicherung von Arbeitsplätzen denken, möchte
ich Ihnen sagen, daß ich mir Sorgen mache um die Sicherheit
Ihrer Arbeitsplätze. Nicht so sehr um deren wirtschaftliche
Sicherheit sondern um die technische Sicherheit und das deshalb:
In der vorigen Woche wurde in dem französischen Kernforschungszentrum
Cadarache das fünfte Kernschmelzexperiment einer Serie im Rahmen
des Phébus-Projektes durchgeführt, die am 2. Dezember
1993 begonnen hatte. Diesmal hatte das Experiment für die Forscher
völlig unerwartete Ergebnisse:
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erheblich stärkere Wasserstoff-Entwicklung
mit noch unbekannten neuen Auswirkungen, |
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erheblich mehr Jod 131 in flüchtiger Form
und damit erheblich größere mögliche Freisetzung, |
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die Kernschmelze setzte schon bei einer um ca.
400'C geringeren Temperatur als erwartet ein. |
Alle Simulationsprogramme müssen nun neu geschrieben werden.
Sie werden verstehen, daß meine Sorge auch unsere Sicherheit
betrifft. Wahrscheinlich werden viele von Ihnen die Bedeutung dieser
Ergebnisse herunterspielen und wir können Ihnen nicht verdenken,
wenn Sie das Lied dessen singen, des Brot Sie essen. Wir singen
Lieder eines anderen Herren. Wir singen sie auch für Sie.
Ihr Nachbar und Mahnwächter aus Bahrenfleth
Volkmar Klotz |