Karsten Hinrichsen
Dorfstr. 15
25576 Brokdorf
22.2.99
Der Berichterstatter des 11.Senats des Bundesverwaltungsgerichts
hat angekündigt, daß noch im Februar über die Klage
des Diplom-Meteorologen Karsten Hinrichsen aus Brokdorf gegen die
zweite Teilbetriebsgenehmigung für das Atomkraftwerk Brokdorf
entschieden werden soll. Bei dem jetzt erwarteten Beschluß
handelt es sich um die Entscheidung über die Beschwerde des
Klägers gegen die vom Oberverwaltungsgericht Schleswig nicht
zugelassene Revision gegen dessen Urteil vom 19.6.98.
Das OVG Schleswig hatte die Klage des Brokdorfer-AKW-Aktivisten
mit der Begründung abgelehnt, er hatte bereits gegen früher
erteilte Genehmigungen Klage erheben müssen. Jetzt sei er präkludiert,
d.h. er könne mit seinen Einwänden nicht mehr gehört
werden.
Der Klüger und sein Anwalt Winfried Günnemann sowie weitere
zu Rate gezogene Juristen halten die Rechtsauffassung des OVG für
äußerst bedenklich: Würde das Urteil Bestandskraft
erlangen, käme dies in der Konsequenz einer Verweigerung rechtlichen
Gehörs gleich, denn die gerichtliche Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen
wäre für Drittbetroffene praktisch nicht mehr zu leisten,
weder finanziell noch psychisch, noch von der Sache her. Um die
Gefahr zu vermeiden, bei späteren Genehmigungen nicht mehr
klagebefugt zu sein, müßten AnwohnerInnen alle Teilgenehmigungen
eines gestuften Verfahrens beklagen. Im Fall des AKW Brokdorf hätte
dies bedeutet: vier Teilerrichtungs- und zwei Teilbetriebsgenehmigungen
mit allen Kosten und dem entsprechenden Zeitaufwand auch gerichtlich
durchzukämpfen.
Der Kläger bestreitet nicht, daß er gegen Entscheidungen,
die in vorangegangenen Teilgenehmigungen getroffen wurden, und auch
gegen das sog. positive Gesamturteil in späteren Verfahrensschritten
nicht mehr klagebefugt ist. Jedoch - so seine Rechtsauffassung -
ist er nicht verpflichtet, gegen einen Sachverhalt zu klagen, über
den eine vorangegangene Teilgenehmigung ausdrücklich nicht
entscheiden wollte und auch nicht entschieden hat.
So enthielt der Entscheidungsteil der ersten Teilbetriebsgenehmigung
für das AKW Brokdorf die Aussage, daß über den Antrag
der Betreiber, auch Plutonium-Mischoxid-Brennelemente (MOX) einsetzen
zu wollen, nicht entschieden würde. Auch das positive Gesamturteil
enthielt dazu keinerlei Aussage. Allerdings waren die im Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren
erhobenen Einwendungen des Klägers gegen den Einsatz von MOX
zurückgewiesen worden Vor Gericht hatten die Betreiber argumentiert,
daß dies den Kläger hätte veranlassen müssen
zu klagen. Mit seinem diesbezüglichen Vorbringen gegen die
zweite Teilbetriebsgenehmigung könne der Kläger nun nicht
mehr gehört werden Das OVG Schleswig folgte diesem Antrag,
obwohl es in der Urteilsbegründung schrieb. daß ..der
Text der ersten Teilgenehmigung in seiner redaktionellen Fassung
suboptimal gestaltet sei. Auch das vorher zuständige OVG Lüneburg
hatte die Klage abgewiesen, obwohl es urteilte, die Begründungspassage
sei mißverständlich gefaßt und dem Kläger
sei einzuräumen, daß der Regelungsgehalt atomrechtlicher
Genehmigungen auch und gerade, um einen effektiven Rechtsschutz
Dritter zu gewährleisten, eindeutig sein muß.
Wenn Genehmigungen derart mißverständlich abgefaßt
sind, daß nicht klar ist, was eigentlich genehmigt wurde,
so könne dies nicht gegen den Kläger gewendet werden.
Auf der Gewährleistung eines effektiven en Rechtsschutzes beruht
unser Rechtssystem, er darf nicht ausgehebelt werden, um Kläger
mundtot zu machen
Besonders enttäuscht zeigte sich der Kläger, weil die
Beklagte mittlerweile rot/grüne Landesregierung in Kiel (nach
CDU und SPD) seine Revisionsbeschwerde in Berlin nicht unterstützt.
"Es würde gerade einem Energiestaatssekretär, der
der Partei der Grünen angehört, gut zu Gesicht stehen,
wenn er sich für Bürgerrechte einsetzt. Statt dessen erweist
rot/grün der gerichtlichen Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen
einen Bärendienst."
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