Karsten Hinrichsen, Dorfstr. 15, 2211 Brokdorf

21.9.1988

AKW Brokdorf: OVG weist Eilantrag ab

Am 16. Sept. 1988 hat das Oberverwaltungsgericht den Eilantrag des Brokdorfer Diplom-Meteorologen Dr Karsten Hinrichsen gegen die nukleare Inbetriebnahme des AKW Brokdorf in erster und letzter Instanz kostenpflichtig abgelehnt. Die Entscheidung ist unanfechtbar.

Dazu folgende Stellungnahme des Klägers:

Es war ein offenes Geheimnis in der Wilstermarsch, daß Betreiber und Genehmigungsbehörde in diesem Verfahren auf Zeit gepokert haben. Das ist ihnen gelungen. Das Gericht hat erst entschieden, nachdem der Hersteller KWU einen schweren konstruktiven Fehler an den Abblaseabsperrventilen beseitigt hatte. Auch der TÜV hatte eine Neukonstruktion gefordert, den vorläufigen Betrieb jedoch mit zusätzlichen Auflagen zugestimmt. Ich habe vor Gericht die Meinung vertreten, daß es der Bevölkerung und den im Kraftwerk Beschäftigten nicht zugemutet werden könnte, daß das AKW Brokdorf mit einem erkannten Mangel in Betrieb geht. Einem Mangel, der einen Kernschmelzunfall auslösen kann. Ganz elegant hat sich das OVG auch meiner Bedenken wegen des abgebrochenen Zentrierstifts im AKW Brokdorf entledigt: Ich sei nicht berechtigt, das im Wege einer Anfechtungsklage geltend zu machen. Schon die CDU-geführte Genehmigungsbehörde hatte den Genehmigungsbescheid mit der Auflage versehen, wonach der Betreiber bis zum 1. Brennelementwechsel ein Konzept vorzulegen hatte, aus dem hervorgeht, wie die Notwendigkeit eines Austausches von Kernbauteilen (also auch Zentrierstiften) rechtzeitig festgestellt werden kann. Das hat die Preag nicht gemacht, und genau das hat G. Jansen eine Woche lang gefordert. Warum G. Jansen der Weisung Töpfers widerspruchslos gefolgt ist, verstehe ich nicht. Denn ich bin mir nicht sicher, ob eine gerichtliche Überprüfung ergeben hätte, daß Töpfers Auffassung legal ist, daß der Bundesumweltminister eine Auflage aus einem Genehmigungsbescheid einfach außer Kraft setzen kann. Das wesentliche Argument meines Eilantrags war, daß ich - anders als die ausstiegswillige Landesregierung - davon Überzeugt bin, daß das Atomgesetz nicht erst geändert werden muß, um einen Sofortausstieg legal abzuwickeln. Schon das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß zum Schnellen Brüter in Kalkar festgestellt, daß nur gegen solche Unfälle keine Vorsorge zu treffen ist, die jenseits des menschlichen Erkenntnisvermögens liegen.

Spätestens Tschernobyl hat diese Erkenntnis gebracht. Auch im AKW Brokdorf kann das komplizierte Wechselspiel von Mensch und Automatik zu katastrophalen Fehlern führen. Das OVG hat mir vorgehalten, ich hätte nicht ausreichend dargelegt, wie es im AKW Brokdorf zu solchen Fehlern kommen kann. Das konnte ich auch nicht; denn die Genehmigungsbehörde hat meine Anträge auf detaillierte Akteneinsicht verweigert. Das OVG hat sich nicht gescheut, den Streitwert von früher 4000 DM auf 20000 DM heraufzusetzen. Mir scheint es mit demokratischen Grundsätzen nicht vereinbar, Menschen, die Gefahren für Gesundheit und Leben auf gesetzlichem Weg beseitigen wollen, in den finanziellen Ruin zu treiben.

Trotzdem werde ich das Hauptsacheverfahren gegen die Betriebsgenehmigung für das AKW Brokdorf vor dem OVG nicht zurücknehmen. Dabei wird es hauptsächlich um die Fragen gegen, ob Kernschmelzunfälle zum sog. hinzunehmenden Restrisiko gehören und welche Schlampereien der Genehmigungsbehörde die Inbetriebnahme des Montagskraftwerks Brokdorf ermöglicht haben. Sachdienliche Informationen aus dem AKW könnten dabei hilfreich sein.