Norddeutsche Rundschau, 21.10.2004

Abschieds-Demo gegen letzten Castor-Transport

Itzehoe (Tommy Alles) - 22 Uhr, Itzehoe, Brückenstraße: Auf der Brücke über den Bahnschienen stehen vier Personen. Im Dunkeln ist ein Transparent mit der Aufschrift "Atomkraft tötet" zu sehen. Zu den vier Demonstranten gesellen sich weitere hinzu, zehn werden es am Ende sein. Sie wollen auf den letzten Castor-Transport aufmerksam machen, der durch den Kreis Steinburg rollt. Castor, das ist ein mit abgebrannten Brennelementen beladener Container, der auf dem Schienenweg ins französische La Hague transportiert wird. Die gefährliche Fracht kommt aus Brokdorf.

Zu den Demonstranten gesellen sich immer mehr Polizisten und Bundesgrenzschutz. Die Beamten sind nach ersten skeptischen Blicken ein wenig lockerer. In den vergangenen Jahren hat es um die Castor-Transporte immer wieder Ausschreitungen gegeben, einige Atomkraftgegner haben sich schon mal von einer Brücke abgeseilt und so den Transport für eine Zeit lang zum Stillstand gebracht. Doch von den jetzigen Demonstranten scheint keine Gefahr auszugehen. Die Jüngsten sind um die 20, die Ältesten im besten Alter. Anke Dreckmann ist auch wieder dabei. Seit 1990 macht die Brunsbüttelerin auf die Gefahren der Atomkraft aufmerksam. "Wenn eine Chemiefabrik hochgeht, das ist nicht schön, aber es bleibt regional begrenzt. Bei einem Atomkraftwerk sieht das anderes aus, das ist das Gefährlichste überhaupt", erinnert sie an die Reaktorkatastrophe 1986 in Tschnernobyl, deren Auswirkungen auch in Deutschland zu spüren waren. Zusammen mit den anderen gehört sie zum "Netzwerk Atomfrei".

- Transparent anklicken! -   Foto von Michael Ruff

Wegen der im Bau befindlichen Zwischenlager in Brokdorf und Brunsbüttel sind die Castor-Transporte unnötig geworden. Die abgebrannten Brennelemente, die sonst in La Hague wieder aufgearbeitet wurden, werden nun in vor Ort in großen Hallen zwischengelagert. Anke Dreckmann nennt sie Endlager.

Ein Hubschrauber ist zu hören, dann auch zu sehen. Er fliegt die Bahngleise ab. Die Gespräche zwischen den Beamten und Demonstranten nehmen an Intensität zu. Ein jugendlicher Demonstrant bittet einen BGS-Beamten um eine Zigarette, die er auch bekommt. Klaus-Peter Heldt, Pressesprecher der Beamten, gesellt sich zu der Gruppe. "Wir haben jahrelange Erfahrung und kennen unsere Leute", sagt er. Mit 60 Beamten sei der Bundesgrenzschutz im Einsatz, dazu kommen die Beamten der Landespolizei. Sie sichern die Bahnstrecke bis nach Hamburg.

Der Castor steht jetzt vor Wilster, ist dem Gespräch zweier Polizisten zu entnehmen. Nach zehn Minuten dann Lichter auf den Bahngleisen. Das Transparent wird wieder hochgehalten. Auf dem letzten Waggon ist ein großer, eckiger Behälter zu sehen. Langsam rollt der Zug unter der Brücke durch, fährt am Itzehoer Bahnhof vorbei und verschwindet im Dunkeln. Das Transparent wird eingerollt, die Demonstranten verabschieden sich untereinander, auch die Beamten sagen Lebewohl. Es ist wieder ruhig in der Brückenstraße.

Der letzte Castor hat den Kreis durchquert. Wie immer unbemerkt von der Öffentlichkeit.

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