Ein Gedicht zur Geschichte unseres Widerstands
gegen das KW Brokdorf zwischen 1973 und 1976
geschrieben von Silke Dibbern-Voß aus Diekdorf (Wilstermarsch)
vorgetragen am 06. Juni 1998 vor dem Tor in Brokdorf
Liebe Leute hier im Marschenland
ich kann euch erzählen vom Widerstand
gegen das Atomkraftwerk Brokdorf, ihr könnte es sehen,
früher befand sich an diesem Ort eine Wiese zum Mähen.
Im Oktober 1973 wurde der Plan bekannt - ich war 16 Jahre alt -
was Politik bedeuten kann, lernte ich in den nächsten Monaten
bald.
Die Sauberkeit dieser Energie wurde von Herrn Stoltenberg beteuert,
von diesen Atomlobbyisten wurden bunte Broschüren beigesteuert.
Zuerst versuchten die Herren der Atomindustrie
die Skepsis zu bremsen, mit plumper Diplomatie.
Die Männer im Zwirn boten im Stall ihre Mitarbeit an,
wollten so, vertrauensbildend brechen den Bann.
Man wollte doch mit den Bauern ein gutes Klima,
Ein so elegantes Verfahren, das wäre doch prima!
So ganz auf Harmonie erpicht,
gelang ihnen dieses jedoch nicht.
Eine Bürgerinitiative entstand,
BUU wurde sie genannt.
Bauer Rolf Hellerich gründete sie als Vorsitzender mit,
und das war für die Planer überhaupt kein Hit!
Mit Enteignung von Grund und Boden drohten nun die NWK,
in Langform genannt: Nordwestdeutsche Kraftwerke GmbH.
Gefährlich gespannt war jetzt der Bogen,
der Atomstaat hatte seine erst Fratze gezogen.
Die Gegner, so hieß es, seien vom Osten gesteuerte Kommunisten,
ewige Nörgler, Spinner und "zurück auf die Bäume"
Utopisten!
Traumtänzer, Langhaarige, faule Schüler und Studenten,
die Nichtsnutze der Nation und die Verpennten!
Sie alle behaupteten, ein AKW strahle radioaktiv,
von gefährlichen Isotopen, stand etwas in ihrem Info-Brief!
Da war die Rede von Halbwertzeit, Plutonium, Müll und Leukämie,
alles Lügen, erstmal richtig arbeiten sollten die!
Und dann diese störenden Physiker aus Hamburg, Wien und Bremen,
wissenschaftliche Nestbeschmutzer, es war zum Grämen!
Prof. Jens Scheer, Dr. Fritz Storim und die Professorin Schmitz-Feuerhake,
eine unbequeme Hochschul-Krake!
Überall klärten sie die Leute über Risiken auf
und setzten der Atomwissenschaft Hörner drauf.
Doch bei den Anhörungsterminen im "Colosseum",
war die Genehmigungsbehörde gar nicht so dumm.
Abgeriegelt wurde in Wilster der Tagungsplatz mit Sperren,
Polizei, Verfassungsschutz und blutrünstige Hunde waren da
die Herren.
Nur die Einheimischen wurden gnädig im Saal zugelassen,
getrennt vom wissenschaftlichen Beistand, man konnte es vor Wut
nicht fassen!
Trotzdem kam von den Hiesigen fundiertes physikalisch-technisches
Wissen zutage.
Für den versammlungsleitenden Regierungsbeamten Herrn Backheuer,
eine Plage!
Auf die Gefahren durch Unfälle und ständige Niedrigstrahlung
wurde hingewiesen,
doch von keinem Sachargument ließ man sich die Atomenergie
vermiesen.
Diese Bauern und einfachen Leute waren zäh,
und beklagten auch noch die Verletzung demokratischer Recht, oh
je!
Es reichte! Das Verfahren wurden schnell beendet,
der Planfeststellungsbeschluß den Einwendern zugesendet.
Immer noch gaben diese nicht auf nach verbalem Gefechte,
eine Klägergruppe, unter ihnen Bauer Ali Reimers, klagte ein
ihre Rechte.
Auch 4 Gemeinden von hier und der anderen Seite Elbe,
stellvertretend Wewelsfleths Bürgermeister Sachse, taten dasselbe.
Ein zäher Prozeß begann in Schleswig vor dem Verwaltungsgerichte,
davon zu erzählen, wäre eine besonders entlarvende Geschichte.
Die Forderung war: "Kein Baubeginn vor Gerichtsentscheid!"
Und die Landesregierung machte Glauben, sie wäre dazu bereit!
Doch dann kam bei Nacht und Nebel die gepanzerte Invasion,
viele wurden jäh geweckt, sahen Blaulicht und ahnten es schon:
Das sind Baumaschinen eskortiert von Polizeigeschützen, oh
Mann!
Sie rückten in der Dunkelheit über Dammfleth nach Brokdorf
an!
Jetzt wusste jede Frau und jeder Mann im Lande:
Nicht mit Argumenten kommen Entscheidungen zustande.
Mit Polizeigewalt und Stacheldraht wird das AKW durchgesetzt,
und das hat selbst Herrn Biedermann aufgehetzt!
Eine große Anti-AKW-Bewegung entstand, wer weiß das
nicht!
Das Motto war: "Wenn Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand
zur Pflicht!"
"Macht den Bauplatz wieder zur Wiese!" war unsere Forderung
und allmählich entstand in der Bevölkerung Stunk!
Immer mehr Leute kamen zusammen aus nah und fern,
phantasievolle Aktionen planten wir gemeinsam und gern.
Viele waren emsig für die erste Demo aktiv,
zu der die Bürgerinitiative Umweltschutz Unterelbe aufrief.
Am 30. Oktober 76 fand in Brokdorf am Deich die 1. Kundgebung statt,
wir hatten den Natodraht um das Baugelände satt!
Einige hatten pfiffige Phantasie und Teppiche mitgebracht
Und damit den gefährlichen Zaun niedergemacht.
Nun war es geschafft, wir konnten den Bauplatz besetzen, einige
fingen an
und schafften Milch und Essen von den umliegenden Höfen heran.
Wenigstens eine Nacht wollte man bleiben, bei Lagerfeuer, in Zelten,
auf Isomatten,
mit Gitarren und Liedern gegen die Aufgeregtheit, die viele in sich
hatten.
Auch engagierte Pastoren waren dabei,
die führten Verhandlungen mit der Polizei.
Man erlaubte uns, zu bleiben
und wollte niemanden in der Nacht vertreiben.
Es war bereits dunkel, die Presseleute hatten den Ort verlassen,
da kam der Befehl von oben aus Kiel, man konnte es nicht fassen!
Mit Tränengas, Schlagstöcken und Chemical Mace wurde es
ganz brutal!
Wir wurden vom Platz getrieben und es begannen Stunden der Qual.
Die Zelte wurden verbrannt, die Staatsgewalt wollte es nun zeigen
und uns den Widerstand ein für allemal verleiden!
Junge Polizisten sollten mit dem Knüppel prügeln, was
war nur los!
Viele von ihnen brachen in Tränen aus - die Nerven lagen bloß!
Der Glaube an die Demokratie ging in dieser Nacht bei vielen kaputt
und auch der brave Bürger warf nun Steine gegen den Zaun mit
Mut.
Es begann eine langer Kampf des Widerstands gegen die Atomenergie,
denn wir alle wußten, eine Sicherheit, die gibt es nie!
Mal laut, mal leise machten wir weiter,
oft ging es lustvoll zu und machte uns heiter.
Infos, Theater und kreative Aktionen mehrten sich im Nu,
Maßnahmen gegen Baumaschinen gehörten auch dazu.
Viele Freundschaften entstanden quer durch die Republik,
wir demonstrierten gemeinsam für den Atomausstieg.
"Kein AKW in Brokdorf und auch nicht anderswo!" Das war
unser Ziel,
in Gorleben und Kalkar stand ebenfalls viel auf dem Spiel.
Uns war immer klar, einen langen Atem brauchen wir
und es ist phantastisch, die nächste Generation steht bereits
hier:
Wir treffen uns heute zur Erinnerung und in Solidarität
Für den Widerstand ist es nie zu spät!
Auch wenn 25 Jahre sind bereits ins Land gegangen,
wir lassen uns von den Lügen der Atomindustrie niemals einfangen!
Unsere Forderung war und bleibt immer so:
"Kein AKW in Brokdorf und auch nicht anderswo!"
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