Störfälle
   




taz

14.07.1995

Zwangspause für Atommeiler

Schon wieder Rohrrisse im AKW: diesmal ist Brokdorf an der Reihe /
Radioaktive Gase nach Brennelement-Schaden verpufft
Von Marco Carini

Schrottplatz Atomreaktor. Kaum ist nach dem Atommeiler Krümmel auch Brunsbüttel nach langem Reparaturstillstand wieder ans Netz gegangen, da droht dem nächsten schleswig-holsteinischen Keinkraftwerk eine Zwangspause.

Aus dem AKW Brokdorf, so ließ Schleswig-Holsteins Energieminister Claus Möller gestern mitteilen, sind während des jährlichen Brennelemente-Wechsels im Kraftwerk erhöhte Mengen an Radioaktivität durch den Schornstein entwichen. Ursache der strahlenden Freisetzung: 20 der 193 eingesetzten Brennelemente wiesen defekte Hüllrohre auf.

Daß die Freisetzungen strahlender Edelgase unterhalb der staatlich genehmigten Tagesgrenzwerte gelegen haben, ist für das Kieler Energieministerium kein Grund zur Entwarnung. Bevor die Schadensursache nicht eindeutig geklärt und Abhilfe geschaffen worden sei, so Ministeriums-Sprecher Hans Friedrich Traulsen, werde seine Behörde die Zustimmung zum Brennelemente-Austausch nicht erteilen. Daß sich die für den 29. Juli geplante Wiederinbetriebnahme des Atommeilers verzögern werde, wollte Traulsen "nicht ausschließen".

Sollten die Rohrschäden sogar in der Konstruktion der Brennelemente bedingt sein, könne dies, so Traulsen, "zu Konsequenzen auch in anderen Atomkraftwerken führen". Denn Probleme mit den in Brokdorf eingesetzten "Focus-Brennstäben" hat es in der Vergangenheit auch schon beim baden-württembergischen Kernkraftwerk Philippsburg II gegeben.

Der Atom-TÜV-Nord und der Brennelemente-Hersteller Siemens prüfen zur Zeit vor Ort, ob die Mängel in Philippsburg und Brokdorf identisch sein können. In einem für den heutigen Freitag angesetzten "Fachgespräch" sollen die Ursachen analysiert und über weitere Schritte beraten werden. Gegebenenfalls müßten, so die Betreiberfirma "Kernkraftwerk Brokdorf GmbH", zukünftig Brennelemente anderen Typs in dem Atommeiler eingesetzt werden.

Und natürlich, so die Betreiber weiter, wären "Sicherheit und Betrieb" des Kraftwerks durch die Defekte zu keinem Zeitpunkt angetastet worden.