Dr. Karsten Hinrichsen, Dipl.-Met.,
Brokdorf
Heiko Ziggel, Dipl.-Phys., Bremen
10.2.2000
Plädoyer für den Sofortausstieg
aus der Atomenergienutzung
- ein Gegen-Memorandum
Im September 1999 veröffentlichten ca. 570 deutsche Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler ein Memorandum zum geplanten Atomenergieausstieg
in Deutschland. In diesem Memorandum bezweifeln die Autorinnen und
Autoren, daß der von der Bundesregierung angestrebte Atomausstieg
"sachgerecht und verantwortungsbewußt" ist. Weiterhin
fordern sie die Bundesregierung auf, "eine ernsthafte Neubewertung
der Kernenergie vorzunehmen und im Lichte der Ergebnisse ihre Energiepolitik
zu überdenken". Für die Neubewertung nennen die Unterzeichnerinnen
und Unterzeichner zehn Gesichtspunkte, welche aus ihrer Sicht "vor
allen Dingen berücksichtigt werden" sollten. Gleichzeitig
bieten sie einen Dialog an mit dem Ziel, "eine zukunftsfähige
Energiepolitik in Deutschland zu entwickeln, die ökonomischen,
ökologischen und sozialen Zielen gleichermaßen gerecht
wird".
Wir, die Verfasserinnen und Verfasser dieses Gegen-Memorandums,
greifen dieses Dialogangebot auf und stellen hiermit unsere Position
zur Frage des Atomenergieausstieges vor. Wir wollen auf die Aspekte
einzugehen, welche im Memorandum der deutschen Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler angesprochen werden, um die unterschiedlichen
Einschätzungen und Bewertungen möglichst deutlich zu Tage
treten zu lassen. Um dabei nicht zu kurz zu treten, sollen vorab
in der gebotenen Kürze unsere Gründe für eine Ablehnung
der Atomenergie sowie Kriterien für eine zukunftsfähige
Energiepolitik dargelegt werden.
Gründe gegen die Atomenergienutzung
Die Atomenergienutzung ist untrennbar verbunden mit der Gefahr katastrophaler
Unfälle, mit radioaktiver Verseuchung, mit der Gefährdung
und Schädigung von Mensch und Umwelt auch im sog. "Normalbetrieb",
mit der Verbreitung von Nuklearwaffen, mit der Ausbeutung industriell
wenig entwickelter Länder, mit dem Verhindern einer zukunftsfähigen
Energieversorgung sowie mit gesellschaftlichen Veränderungen,
die mit dem Begriff "Atomstaat" umschrieben werden können.
Grundsätzliche Fragen sind auch heute noch, d.h. über
50 Jahre nach Beginn der Nutzung der sog. "friedlichen"
Atomenergie, ungelöst, wie z.B. die Entsorgung, der Verbleib
des erzeugten Plutoniums, sicherheitstechnische Probleme, die Wirkung
niedriger Strahlendosen auf den Menschen, etc.
Alle Fortschritte auf anderen Politikfeldern können durch
einen SuperGAU und den Einsatz von Atomwaffen mit einem Schlage
zunichte gemacht werden, weil deren Folgen unermeßlich sind
im Hinblick auf menschliches Leid und wirtschaftliche Auswirkungen.
Letztere werden eine sozial verträgliche Familien-, Renten-,
Bildungs-, Sozial- und Wirtschaftspolitik auf lange Zeit unmöglich
machen. Eine Technologie, die wegen ihres Gefahrenpotentials niemals
versagen darf, ist unmenschlich.
Der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke (AKW) behindert die Energiewende,
deren Ziele eine unter ökologischen Gesichtspunkten verantwortbare
Energieerzeugung, eine dezentrale Versorgung mit Energie, die Schonung
von Ressourcen, gerechtere Handelsbeziehungen insbesondere mit industriell
wenig entwickelten Ländern, die Schaffung neuer Arbeitsplätze
usw. sind.
Wir wollen, daß in der Debatte um den Atomausstieg eine dem
Gemeinwohl verpflichtete Politik Vorrang hat vor der Befriedigung
der Profitinteressen der Energiekonzerne.
Kriterien für eine zukunftsfähige Energiepolitik
1. |
Der Energieverbrauch ist zu begrenzen und darüber
hinaus zu minimieren.
Der Gesamtenergieverbrauch hat sich an der technisch realisierbaren
Bereitstellung erneuerbarer Energie zu orientieren. Seine Höhe
kann sich bei Technologiesprüngen durchaus ändern.
Darüber hinaus muß ein Minimierungsgebot gelten;
d.h. durch Einspar- und Effizienzmaßnahmen ist der Verbrauch
von Energie auf das geringstmögliche Niveau zu reduzieren,
da jede Energieerzeugung und -umwandlung mit Ressourcenverbrauch
und Abfallproblemen verbunden ist.
Auf Grund des für den Bau von Atomanlagen großen
Kapitaleinsatzes stellt die Atomenergie eine angebotsorientierte
Energiebereitstellung dar. Die von den großen Energieversorgungsunternehmen
zur Profitmaximierung angestrebte Steigerung des Energieverbrauchs
läuft dem Minimierungsgebot zuwider. |
2. |
Die Erzeugung der (Rest-)Energie muß umweltverträglich
und nicht gesundheitsgefährdend sein.
Die Bereitstellung von Energie muß umweltverträglich
erfolgen, d.h. die Emission schädlicher Stoffe, die Einwirkung
auf die belebte Natur, die Nutzung von Ressourcen wie auch der
Landschaftsverbrauch sind zu minimieren. Weiterhin muß
eine Gefährdung für zukünftige Generationen ausgeschlossen
sein sowie eine Gefährdung von Gesundheit und Leben für
die gegenwärtige Bevölkerung. Die Erzeugung von Abfällen
ist zu vermeiden.
Die zur Energieerzeugung benötigten Rohstoffe sollten umweltverträglich
gewonnen und die verwendeten Materialien umweltschonend hergestellt
und entsorgt werden können. |
3. |
Die (Rest-)Energieerzeugung muß ethischen
und sozialen Zielen verpflichtet sein sowie Handelskonflikte
und Kriege vermeiden.
Eine zentrale Energieversorgungsstruktur in der Hand weniger
großer Monopolgesellschaften kann dem Kantschen kategorischen
Imperativ ("Tue niemandem etwas an, was er/sie dir auch
nicht antun soll") und dem ökologischen Imperativ
nach Immler ("Nutze die Natur so, daß sie sich so
schnell regenerieren kann, daß auch kommenden Generationen
die Ressourcen der Natur [saubere Luft, Wasser, Rohstoffe usw.]
zur Verfügung stehen") nicht genügen. Die Energieerzeugung
darf nicht allein dem Diktat kapitalistischer Interessen unterstehen.
Wer Verfügungsgewalt über Energie hat, hat Macht über
Menschen und übt Gewalt aus gegenüber der Natur.
Energiewirtschaft muß sich daran messen lassen, ob sie
sozial und wirtschaftlich gerecht (im Sinne einer globalen Gerechtigkeit)
ist, ob sie anti-kapitalistisch und anti-monopolistisch organisiert
ist und ob sie durch ihre ökonomische Machtfülle keine
Gefährdung für demokratische Staaten darstellt. |
Unsere Antwort auf die 10 Punkte des Memorandums
1. Fortschritte der Sicherheitstechnik |
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Bereits die in den siebziger Jahren errichteten
bundesdeutschen AKWs wurden schon damals euphorisch als die
sichersten der Welt gepriesen. Gleichlautende Aussagen sind
aus allen Ländern, die über eine eigene Atomindustrie
verfügen, zu vernehmen, so daß am Wert derartiger
Verlautbarungen berechtigter Zweifel besteht. Doch trotz des
vermeintlich hohen Sicherheitsniveaus deutscher AKW wurden in
der Vergangenheit milliardenschwere Nachrüstungen erforderlich,
weil Risikostudien und Unfälle erhebliche Sicherheitsdefizite
offenbart hatten: Auslegungs- und Konstruktionsfehler, Materialschwächen,
Unfälle infolge unzulässiger Handlungen des Betriebspersonals,
etc. Die sicherheitstechnischen Verbesserungen mußten
von den Aufsichtsbehörden nur zu oft gegen den erbitterten
Widerstand der Betreiber durchgesetzt werden bzw. es wird noch
heute darum gerungen oder sie wurden nur teilweise realisiert.
Der derzeit erreichte Stand der Sicherheitsvorsorge kann dennoch
Kernschmelzunfälle in Deutschland, deren Eintrittswahrscheinlichkeit
vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(BMU) mit 1 % in 50 Jahren angegeben wird, nicht verhindern.
Er erreicht noch nicht einmal die Anforderungen des noch unter
der Umweltministerin Merkel verabschiedeten Artikelgesetzes
von 1994. Insbesondere die ältesten der in Deutschland
betriebenen Atomkraftwerke können wegen inhärenter,
nicht zu beseitigender Sicherheitsmängel mittels Nachrüstmaßnahmen
nicht den heutigen Stand von Wissenschaft und Technik erreichen.
Darüber hinaus wurden ehemals vorhandene Sicherheitsreserven
reduziert: durch Leistungserhöhung, höhere Anreicherung
mit Uran 235 in den Brennelementen (BE), Einsatz von Plutonium-Mischoxid-BE,
längere Standzeit der BE, verkürzte Revisionszeiten.
Bei nüchterner Betrachtung ist es wohl eher glücklichen
Umständen zu verdanken denn der Umsicht und Gewissenhaftigkeit
der AKW-Betreiberinnen und der realisierten Sicherheitstechnik,
daß es in einem deutschen AKW noch nicht zu einem katastrophalen
Versagen der Sicherheitseinrichtungen gekommen ist.
Die Politik sollte sich bei der Entscheidung über einen
Ausstieg aus der Atomenergienutzung bzw. der Festlegung von
Restlaufzeiten nicht von den Nachrüstungen blenden lassen
sondern berücksichtigen, daß es in den 19 bundesdeutschen
AKWs jederzeit zu einem verheerenden SuperGAU kommen kann.
Zur Frage der Entsorgung radioaktiver Abfälle läßt
sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur lapidar feststellen,
daß das ehedem existierende Konzept, dargelegt in den
zwischen den Ländern und dem Bund im Jahre 1979 vereinbarten
Entsorgungsgrundsätzen, deren Basis ein geschlossener Brennstoffkreislauf
unter Nutzung der Wiederaufarbeitung und Einsatz von Schnellen
Reaktoren ("Brütern") zur Stromerzeugung war,
gescheitert ist; ein neues Konzept hingegen existiert gegenwärtig
nicht.
Dieses Scheitern manifestiert sich vorrangig am Fehlen eines
geeigneter Endlager zur langfristig sicheren Verwahrung (über
Millionen von Jahren) des Strahlenmülls. Nachdem für
die Erkundung des in der Vergangenheit als Endlager für
wärmeentwickelnde Abfälle vorgesehenen Salzstockes
in Gorleben seitens des BMU ein Moratorium verkündet wurde
(wegen Fragen der Langzeitsicherheit ist der Salzstock in Gorleben
(und Schacht Konrad) als nicht geeignet einzustufen), soll nun
die Suche nach einem neuen Standort für ein zu errichtendes
Endlager in tiefen geologischen Formationen in Deutschland (wieder)
aufgenommen werden. Die Hoffnung, im Jahre 2030 ein solches
Endlager für alle Arten radioaktiver Abfälle in Betrieb
nehmen zu können, kann vor dem Hintergrund der zu lösenden
Probleme allerdings als über die Maßen optimistisch
bezeichnet werden. Von Fortschritten bei der Entsorgung kann
keine Rede sein. |
2. Das Klimaproblem |
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Eine Klimaänderung durch Treibhausgase stellt
ein ernst zu nehmendes Problem dar. Jedoch ist das CO2-Problem
nicht mit (zusätzlicher) Atomstromproduktion zu lösen.
Das Investieren in Stromeinspartechnologie ist weitaus effizienter
(und kostengünstiger) als der Bau neuer AKWs.
Praktisch alle Studien über die künftige Energieversorgung
kommen zu dem Ergebnis, daß ein Versorgungspark mit AKWs
(Angebotsstrategie) zu einer weiteren Verschwendung von Energie
führt; Szenarien mit schnellem Atomenergieausstieg stellen
sich langfristig als die klimaschonendesten Varianten heraus.
Es ist schon heute absehbar (Prognos Studie des Bundesministerium
für Wirtschaft), daß Deutschland beim Festhalten
an der derzeitigen Energiepolitik sein CO2-Minderungsziel nicht
erreichen wird.
In Deutschland tragen AKWs nur mit 12 % zur Endenergiebereitstellung
bei (weltweit sogar nur zu weniger als 5 %). Sie produzieren
(mit Ausnahme des AKW Stade) nur Strom. Wärmeenergie muß
also zusätzlich über fossile Brennstoffe bereitgestellt
werden, was unter dem Klimaaspekt ungünstiger ist als Strom
und Wärme gemeinsam in Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung
(KWK) zu erzeugen (der Wirkungsgrad von Atomkraftwerken beträgt
ca. 30 %, der von KWK liegt hingegen bei ca. 70 bis 90 %).
Als Alternativen für Atomkraftwerke stehen keinesfalls
nur Gas- und Kohlekraftwerke zur Verfügung; Energieeffizienz
bei Wärme, Strom, Mobilität und in der Produktion
stellt ein großes Einspar (Negawatt)-Potential dar.
Richtig ist, daß es bei einem Sofortausstieg für
einige Jahre zu einem höheren CO2-Ausstoß kommt.
Danach sinken allerdings die CO2-Emissionen sehr schnell auf
niedrigere Werte als beim Festhalten am jetzigen Kraftwerkspark.
Die Bedrohung durch die Atomenergienutzung und durch den CO2-Anstieg
sind unterschiedlicher Art: Das Klima verändert sich zunächst
langsam, ein SuperGAU kann sich jederzeit innerhalb von Sekunden
ereignen. Die Beseitigung seiner Folgen würde auch die
Anstrengungen um eine Reduzierung der Treibhausgase für
eine lange Zeit zunichte machen.
Deshalb wird Deutschland seiner globalen Verantwortung am ehesten
gerecht, wenn es die Energiewende (Energie sparen, effizient
nutzen und regenerativ erzeugen) konsequent umsetzt und so international
vorbildlich wird bei der Klimaschutzpolitik. |
3. Deutschland als Technologienation |
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In vielen Teilen der Welt wird die Kernenergie
nicht weiter ausgebaut. In Deutschland ist nur ein AKW-Hersteller
übrig geblieben: die Siemens-Tochter KWU erwirtschaftet
lediglich 3 % des Konzernumsatzes. Die Exportchancen für
Atomtechnologie sind im Vergleich zu anderen Energietechnologien
denkbar schlecht.
Abgesehen von den asiatischen Ländern und der Russischen
Föderation wird in keinem einzigen Land, in dem bereits
heute Atomkraftwerke betrieben werden, gegenwärtig der
Bau neuer Anlagen ernsthaft erwogen. Selbst in Frankreich, bekannt
für seine Euphorie für die Atomenergienutzung, ist
der Neubau des EPR, gepriesen als sog. Fortschrittlicher Reaktor,
zurückgestellt worden.
Schweden und die Schweiz haben sich bereits für einen Ausstieg
entschieden bzw. ein Moratorium gegen einen weiteren Ausbau
verabschiedet. Auch in Großbritannien, den Niederlanden
und Spanien ist an einen Atomkraftwerkszubau nicht zu denken.
U. a. Italien und Österreich haben sich bereits Mitte bzw.
Ende der 70er Jahre gegen den Einstieg in die Atomenergienutzung
entschieden. In Finnland bestehen zwar Pläne für den
Bau eines weiteren Atomkraftwerks, ob diese allerdings realisiert
werden, wird die Zukunft zeigen.
In den USA wurden bereits seit Mitte der 70er Jahre keine neuen
Atomkraftwerke mehr in Auftrag gegeben. Auch in Japan steht
zu erwarten, daß nach den Nuklearunfällen der letzten
Jahre und der offensichtlich gewordenen mangelnden Sicherheitskultur
die öffentliche Meinung einem Ausbau der Atomenergie ablehnend
gegenüber steht.
Interesse am Aufbau einer nuklearen Infrastruktur zeigen hingegen
eine Reihe sog. "nuklearer Schwellenländer".
Bei einigen dieser Länder kann nicht ausgeschlossen werden,
daß ihr Interesse an der "friedlichen" Atomenergienutzung
dem Wunsch entspringt, militärische Atommacht zu werden.
Daß eine militärische Nutzung von ausschließlich
für zivile Anwendungen gelieferte Atomtechnik möglich
ist, belegen die Beispiele Indien, Pakistan, Israel.
Auch die Länder Osteuropas, in denen fast ausschließlich
Atomkraftwerke sowjetischer Bauart betreiben werden, können
als Anwärter für den Neubau von AKWs sowie für
die Nachrüstung bestehender AKWs angesehen werden. Dazu
sind ausreichende Kredite durch die westlichen Industrieländer
erforderlich, die mit Stromlieferungen zurückbezahlt werden
sollen. Diese Art der Finanzierung kommt einer Verlagerung der
Stromproduktion in die Länder Osteuropas gleich, die über
Hermes-Bürgschaften abgesichert werden soll und zu einem
Verlust von inländischen Arbeitsplätzen führt.
Schon heute ist der Einfluß der viel gepriesenen deutschen
Sicherheitstechnik auf das internationale Sicherheitsniveau
gering. Sie hat die Unfälle im amerikanischen Harrisburg
und im russischen Tschernobyl nicht verhindern können.
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4. Der Industriestandort Deutschland |
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Bis auf wenige Ausnahmen werden die Fertigungskosten
deutscher Produkte nur zu einem geringen Teil durch die Stromkosten
bestimmt (im Mittel ca. 3 %). Das Ersetzen des 30 %igen Atomstromanteils
(65 % werden mit fossilen Brennstoffen und 5 % regenerativ erzeugt)
würde die Standortbedingungen also kaum verschlechtern.
Im Gegenteil: würden die fortdauernden Subventionen für
Atomstrom (keine ausreichende Deckungsvorsorge, steuerfreie
Rückstellungen, keine Primärenergiesteuer auf Kernbrennstoffe)
endlich gestrichen (und für technologische Innovationen
sinnvoll ausgegeben), wäre er konkurrenzlos teuer.
Eine Verlagerung der Stromproduktion ins Ausland wird aufgrund
der Liberalisierung des Strommarkts auch ohne die Stillegung
von Atomkraftwerken in Deutschland erfolgen. Der Umfang der
zukünftigen Verlagerung der Stromerzeugung ins Ausland
wird aber auch vom Grad der Zentralisierung der Stromerzeugungskapazitäten
bestimmt. Große Kraftwerksblöcke einer zentralen
Stromerzeugungsstruktur sind leichter ins Ausland zu verlagern
als eine Vielzahl kleiner Anlagen, die der dezentralen Versorgung
dienen. Durch den forcierten Einsatz erneuerbarer Energien könnten
die bei einem Ausstieg aus der Atomenergienutzung verloren gehenden
Arbeitsplätze um ein Mehrfaches ersetzt werden. |
5. Die europäische Dimension |
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Wie schwierig die Einflußnahme auf das Sicherheitsniveau
von Anlagen in anderen Ländern ist, zeigt das Beispiel
Tschernobyl. Trotz intensivster internationaler Bemühungen
und umfangreicher finanzieller Angebote ist es in den nunmehr
fast 14 Jahren seit dem SuperGAU nicht gelungen, die Regierung
der Ukraine dazu zu bewegen, alle Reaktoren am Standort Tschernobyl
stillzulegen, obwohl kein Zweifel darüber bestehen kann,
daß von ihnen eine akute Gefahr ausgeht.
Statt mit immensen Kosten verbundene Verbesserungen an der Sicherheitstechnologie
von Atomkraftwerken anzustreben, deren Erfolg zumindest zweifelhaft,
wenn nicht gar von vornherein zum Scheitern verurteilt ist,
sollte die Bundesregierung auch andere Länder dazu motivieren,
den Einstieg in eine risikoarme Energiewirtschaft zu vollziehen.
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6. Der "ökologische Rucksack" |
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Jede Art der Stromerzeugung belastet Mensch und
Umwelt. Selbst wenn der Blickwinkel auf die Frage der Klimarelevanz
der verschiedenen Kraftwerkstypen verengt wird, schneidet Atomstrom
keineswegs am besten ab. Regenerative Kraftwerke emittieren
in ihrem Betrieb praktisch keine klimaschädigenden Stoffe.
Und KWK kann durchaus mit einem Mix aus Atomstrom und ölbefeuerten
Heizungsanlagen mithalten. Kommen in Blockheizkraftwerken nachwachsende
Rohstoffe oder Reststoffe zum Einsatz, ist Atomstrom auch beim
Klimaschutz nur zweite Wahl.
Wird das gesamte "System Kernenergie" betrachtet (Uranförderung,
Anreicherung, Brennelementfertigung, Reaktorbetrieb, Transporte
sowie Entsorgung des Atommülls), so ist zusätzlich
zu den Teibhausgasen auch noch die Freisetzung radioaktiver
Stoffe durch den bestimmungsgemäßen und den Störfallbetrieb
zu bewerten. Atomstrom verdient dann erst recht nicht das Prädikat,
besonders "verantwortlich gegenüber unseren Nachkommen"
zu sein.
Auch für weniger industrialisierte Länder, die z.T.
über große Sonnen-, Wind- und Wasserkraftpotentiale
verfügen, und in denen für die Nutzung von Elektrizität
aus zentralen Groß(Atom)kraftwerken erst Hochspannungsnetze
gebaut werden müßten, sind Atomkraftwerke weder eine
ökonomische noch eine ökologisch empfehlenswerte Alternative
zur Nutzung regenerativer Energien. |
7. Chancen der regenerativen Energien |
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Regenerative Energien leisten schon heute weltweit
einen größeren Beitrag zur Energieversorgung als
AKWs, wenn das Verfeuern von Holz einbezogen wird. Die in Deutschland
vorhandenen Überkapazitäten an Stromproduktionsanlagen
sind so groß (37 GW gegenüber 20 GW installierter
AKW-Leistung), daß zur Aufrechterhaltung der Stromversorgung
als Übergangslösung keine zusätzlichen herkömmlichen
Kraftwerke errichtet werden müßten. Aus diesem Grund
würden daher auch keine Investitionsmittel fehlen, um Anlagen
zur Nutzung erneuerbarer Energien zu finanzieren. |
8. Revidierbarkeit von Entscheidungen |
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Der Ausstiegsbeschluß ist allerdings nicht
"zutiefst undemokratisch", weil die Regierungsparteien
dies vor der Wahl angekündigt hatten. Das Argument gegen
einen Atomausstieg, man sollte künftigen Generationen die
Möglichkeit eigener Entscheidungen bewußt offenhalten,
ist wenig überzeugend angesichts der Tatsache, daß
den kommenden Generationen die Erblast des Jahrmillionen strahlenden
Atommülls aufgebürdet wird. Weil politische Entscheidungen
durch spätere Regierungen wieder aufgehoben werden können,
halten wir die Ankündigung der Bundesregierung, den Atomausstieg
"unumkehrbar" zu machen, nur dann für realisierbar,
wenn die Reaktordruckgefäße der stillgelegten Atomanlagen
unbrauchbar gemacht werden. Sollten künftige Generationen
zerstörte AKWs wieder in Betrieb nehmen wollen, so ist
das deren Entscheidung. |
9. Nachwuchs |
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Nuklearer Wissenschaft und Forschung gebührt
kein Sonderstatus innerhalb der Wissenschaften, auch wenn dies
z. T. aufgrund der gewährten Privilegien den Anschein hat.
Richtig ist, daß die Stillegung von Atomkraftwerken und
die Entsorgung der beim Betrieb angefallenen radioaktiven Abfälle
zuverlässig und verantwortungsbewußt zu erfolgen
hat. Die zur Bewältigung dieser Aufgaben benötigten
Qualifikationen unterscheiden sich jedoch deutlich von denen,
die für den Bau und Betrieb von Atomkraftwerken notwendig
sind. Daher gibt es keinen Grund, nukleare Wissenschaft und
Forschung weiter zu fördern. Schon heute wird die Kerntechnikbranche
von Nachwuchssorgen gequält, weil junge Wisschaftlerinnen
und Wissenschaftler sowie angehende Technikerinnen und Techniker
erkannt haben, daß die Atomtechnologie keine Zukunftsperspektive
hat. |
10. Ausstieg ist keine Lösung |
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Die Reduktion der Energiepolitik auf den Ausstieg
aus der Atomtechnologie wäre in der Tat ein Armutszeugnis.
Bessere Alternativen als die Stromproduktion durch Kernspaltung
stehen zur Verfügung. Notwendig ist eine Energiewende.
Ohne einen Atomausstieg ist eine Neuorientierung der Energiepolitik
auf eine global gerechte, ökologisch und sozial vertretbare
Energiewirtschaft nicht möglich. |
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