10.5.1989

Ausstieg ohne Basis mit Jansen gegen die SPD und die Atommafia???

Energieminister Jansen hat den Atomausstieg bislang keinen Millimeter vorangebracht ? trotz vollmundiger Wahlversprechen. Vor der "Ehrenwortwahl" 1987 versprach er einen Ausstieg in einem Jahr. Während des Wahlkampfes 1988 wollte er in zwei Jahren aussteigen. In seiner Regierungserklärung vom 28. 6. 1988 versprach Engholm "spätestens bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode den Betrieb der Atomkraftwerke beendet zu haben". Kürzlich stellte Jansen auf einem Seminar des Vereins "Eltern für unbelastete Nahrung" ganz unverblümt fest, daß es ohne eine Wende in Bonn sowieso keinen Ausstieg gäbe. Und nicht lange wird es dauern, daß sich Jansen seinem Hamburger Amtskollegen Kuhbier anschließt. Der sagte nämlich vor einiger Zeit, Hamburg werde auch im Falle einer SPD?Mehrheit in Bonn nicht aussteigen.

Mit anderen Worten: der Ausstieg verkommt zum Dauerwahlversprechen der SPD Die kurz nach Tschernobyl beschlossenen 10 Jahre für den Atomausstieg fangen eben bei jeder Wahl neu an!!!

Viele AtomgegnerInnen fragen sich, ob Jansen wirklich aussteigen will. Entscheidend ist aber doch die Frage, ob Jansen gegen den Engholm?Flügel der SPD aussteigen kann und welchen Druck die Ausstiegswilligen im Land dafür entfalten durch Demos Blockaden, Prozesse usw. ? und ob Jansen sie dabei unterstützt oder behindert!

Sehen wir uns Jansens Taten seit seinem Amtsantritt an. Die sprechen für sich!

Jansen erteilte für genau die Atommüllfässer eine Lagererlaubnis, von denen Engholm in seiner Regierungserklärung behauptet hatte: "Wir sind nicht bereit, die von Mol über Transnuklear im AKW Brunsbüttel falsch deklariert angelieferten 21 Fässer, die auch Plutonium enthalten, bei uns zwischenzulagern. Sie müssen unverzüglich nach Mol zurück." Nicht einmal den Plutoniumgehalt in den Fässern nennt er.

Da Brunsbüttel nach wie vor nicht einmal den Absturz leichter Militärmaschinen heil übersteht, ist der Sicherheitsapostel Jansen geradezu verpflichtet, ohne langwierige Gutachten, das stillzulegen. Stattdessen stritt sich Jansen vor Gericht um Schrauben und forderte, daß radioaktives Material aus dem nur noch auf "basisabgedichteten" Hausmüllkippen gelagert werden dürfe. _?:,in Witz weil der Kreis Steinburg als Betreiber der Deponie sofort beteuerte, die Kippe sei "so gut wie basisabgedichtet".

Jansen hatte nicht etwa den Einsatz von Plutonium?Brennelementen im AKW Brokdorf untersagt, weil dies verfassungswidrig sei?, sondern wollte nur, daß ausschließlich im AKW selbst erbrütetes Plutonium eingesetzt wird. Dagegen klagten die Betreiber. Jansens sinnlosen Publicity?Gag hat das Land nun mit ca. 200000 DM Prozeßkosten zu bezahlen.

Vollends unglaubwürdig ist Jansen spätestens durch sein Taktieren um den abgebrochenen Zentrierstift im Brokdorf. Statt dafür zu sorgen, daß eine entsprechende Auflage aus der Betriebsgenehmigung eingehalten wird, hatte Jansen in seiner Ängstlichkeit beim atomgläubigen TÜV ein Gutachten in ?Auftrag gegeben. Der TÜV tat ihm den Gefallen und gutachtete, daß erst bei 19 abgebrochenen Zentrierstiften die Sicherheit gefährdet sei. Um nicht in die Schußlinie der Anti?AKW?Bewegung zu geraten, hat Jansen dann gebeten ihn anzuweisen. Dieser Bitte kam der Bundesatomminister gerne nach.

Diese Machenschaften Jansens kamen ans Tageslicht, weil dem Brokdorf?Kläger Karsten Hinrichsen die entsprechenden Briefe und Akten gegen den Willen Jansens vom Gericht zur Verfügung gestellt wurden. In Karsten Hinrichsens Klage um die nukleare Inbetriebnahme des AKW Brokdorf geht es u.a. auch um die Zentrierstifte.

So wie Jansen in allen Punkten gegen diese Klage vorging, beantragte er auch mit Hinweis auf das TÜV?Gutachten, daß das Gericht die Klage in Sachen Zentrierstifte abweisen möge. Später klagten die Betreiber gegen Jansen, weil er kurzfristig ihren Betrieb unterbrochen hatte, und das Oberverwaltungsgericht Lüneburg gab ihnen recht, indem das von Jansen selbst bestellte Gutachten herangezogen wurde! Da ist doch Jansens Wut über seinen verlorenen Prozeß mehr als heuchlerisch, da er selbst dem Gericht die Munition geliefert hat, die er gegen Karsten Hinrichsen hat herstellen lassen.

Es ist eine schlimme Sache, daß Jansen auch noch die von der CDU-Landesregierung ausgestellte Dauerbetriebsgenehmigung für das AKW Brokdorf mit allen prozeßtaktischen Tricks gegen den GRÜNEN?Kläger Karsten Hinrichsen verteidigt. (Kurz vor der Wahl hatte die SPD von der damaligen Sozialministerin Gräfin Brockdorff gefordert, das AKW Brokdorf nicht sofort ans Netz gehen zu lassen.)

In Presseerklärungen leugnet Jansen obendrein, den Kläger zu behindern. Dies zeigt, daß für Jansen das parteitaktische Kalkül Vorrang hat vor einem ernsthaften Bemühen um den Ausstieg. Jansen hat alle Angebote der GRÜNEN scharf zurückgewiesen, die eine Zusammenarbeit für den Ausstieg mehrmals angeboten haben.

Eins ist klar: Jansen hat bereits viele Gelegenheiten zum Ausstieg ungenutzt verstreichen lassen. Ohne eine, einen spürbaren Druck erzeugende Anti?AKW?Bewegung und ohne eine GRÜNE (Oppositions?) Partei wird die SPD niemals den Ausstieg gegen den Willen der Industrie wagen.

Der Ausstieg ist nur zu schaffen, wenn immer mehr BürgerInnen ? mit oder ohne Jansen ? dafür mit Nachdruck eintreten. Wir alle, die den Atomausstieg wollen, müssen uns entscheiden: Entweder
liegt die Bedeutung Jansens darin, daß er uns unsere Angst vor den AKWs nimmt und wir deshalb
dankbar und beruhigt sind, auch wenn er überhaupt nichts tut. Oder wir sehen ihn als einen Amtsträger, an den wir Forderungen haben. Das heißt dann aber, auch konkrete und wenn nötig kontroverse Diskussionen immer wieder mit ihm zu führen und Forderungen zu stellen, auf deren Einhaltung wir dann auch beharren müssen.

Dabei lassen wir uns nicht auf den berühmten SPD?St.Nimmerleinstag vertrösten. Sofortige Stillegung von Brunsbüttel! Keine Diffamierung von AtomgegnerInnen durch Jansen!

Karsten Hinrichsen, DIE GRÜNEN Schleswig?Holstein
Rosemarie Rübsamen, GAL Hamburg

10.5.1989