Norddeutsche Rundschau

09.02.1994

Gottesdienst am Kraftwerk

Mahnwache plant Aktionen in Itzehoe und beim Kirchentag

BROKDORF (sch). Wie an jedem sechsten Wochentag eines Monats fand am vergangenen Sonntag wieder eine Mahnwache vor dem Atomkraftwerk Brokdorf (AKW) statt, die von einem Gottesdienst umrahmt wurde. Vorbereitet wird dieses nun schon im achten Jahr allmonatlich durchgeführte Treffen von der christlichen Basisgemeinde Wulfshagenerhütten und der Basisgemeinschaft in der Christuskirche Schulau.

Der Gottesdienst rankte sich gedanklich um den Inhalt des 22. Psalmes. Der Bibeltext schuf die Verbindung zur Auseinandersetzung mit dem derzeit außer Betrieb befindlichen Kraftwerk. Ein gemeinsames Essen wurde am Kreuz eingenommen, das auf einem Tisch vor dem Eingang zum AKW aufgebaut war.

In Redebeiträgen wiesen Mahnwachenteilnehmer darauf hin, daß der 22. Psalm dazu auffordere, all das auszusprechen, was sich nicht im Interesse der Menschheit entwickele. Hierzu zähle auch die Nutzung der Kernkraft "aus den Tempeln des Größenwahns". Man solle sich nicht selbst entmutigen, sondern das Entmutigende überwinden und die Hoffnung nicht aufgeben, daß die Nutzung dieser Energieform einmal der Vergangenheit angehören werde, auch wenn derzeit noch "gewaltige Stiere und mächtige Büffel" (Psalm 22/13) in Form von Atomkraftwerken um uns stünden.

Aus aktuellem Anlaß wurde ein im vergangenen Monat in der englischen Zeitung "The Guardian" erschienener Bericht über die leukämieerkrankten Kinder von Sellafield verlesen. Die in dem Ort an der englischen Ostküste bei der Wiederaufbereitung abgebrannter Brennelemente freigesetzten Schadstoffe werden auch nach amtlichen Verlautbarungen britischer Regierungsstellen für die erhöhte Krebsrate dort verantwortlich gemacht. Sellafield/Thorp wird seit dem 22. November des Vorjahres auch aus Brokdorf bedient und ist derzeit Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung.

Die an der Mahnwache Teilnehmenden vereinbarten, sich mit einem Informationsprogramm zur aktuellen Atompolitik am "Ökumenischen Pfingstwochenende" vom 20. bis 22. Mai in Itzehoe zu beteiligen. Geplant wird unter anderem eine Kundgebung am Tschernobyl?Stein auf dem Berliner Platz. Das Ergebnis einer Unterschriftenaktion soll den für die derzeitige Kernkraftpolitik Verantwortlichen im Sommer im Rahmen einer Demonstration auf der Unterelbe vor dem AKW am Brokdorfer Deich übergeben werden

Auch vereinbarte die Mahnwache, sich im nächsten Jahr beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hamburg mit einem Programm zu beteiligen.